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Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)

Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)

Titel: Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Losbohm
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Weder die Umgebung noch die Gesellschaft des Paters halfen mir dabei, mich einzuleben. Ich hatte schnell gelernt, dass er und ich so unterschiedlich wie Tag und Nacht waren. Und nach drei Wochen in der Tiefe unter der Erde, wo ich nur kaltes, künstliches Licht gesehen hatte, verfiel ich allmählich in Depressionen.
     
    Ich war echt fertig und verspürte einfach nur den Drang auszubrechen. Also zog ich mir eine Jacke über und ging durch das Büro des Paters. Er saß an seinem Schreibtisch und blickte auf, als ich hineingestürmt kam.
    „Bis später dann,“ rief ich ihm fröhlich zu und nahm die Beine in die Hand, damit er erst gar nicht die Gelegenheit hatte, mir etwas zu entgegnen. Es interessierte mich auch nicht, wenn er etwas zu sagen gehabt hätte. Mich interessierte nur mein Ziel. Sauerstoff. Ich lief hastig durch das Mittelschiff und hatte schon das Taufbecken hinter mir gelassen, als die noch hastigeren Schritte des Paters ertönten. Ich legte noch einen Zahn zu und kam mir dabei vor wie einer von diesen Gehern bei der Olympiade, die in ihren Bewegungen immer so lächerlich aussahen. Doch egal wie alt Pater Michael auch sein mochte, eine lahme Ente war er nicht. Er holte mich in Nullkommanichts ein und stellte sich mir in den Weg. Ohne in sein Gesicht zu sehen, wich ich ihm aus und versuchte an seiner linken Seite vorbeizukommen. Er reagierte sofort und versperrte mir den Weg. Ich wechselte zur rechten Seite und versuchte mein Glück dort. Aber er war wieder schneller. Verflixt!
    „Was soll das werden, bitte schön?“, fragte mich Pater Michael.
    Mein Blick war immer noch auf seine Füße gerichtet. „Ich will etwas frische Luft schnappen, wenn Sie nichts dagegen haben,“ antwortete ich ihm und startete einen neuen Versuch an ihm vorbei zu kommen. Aber ich prallte nur gegen seine verschränkten Arme.
    „Ich habe sehr wohl etwas dagegen, Miss Ada! Sie gehen nicht nach draußen!“, sagte er. Sein Ton war streng und gebieterisch.
    Ich hasste es, wenn man mit mir so sprach
    „Außerdem ist die Tür verriegelt, und Sie haben keinen Schlüssel!“
    Verdammt! Das war mir in meiner Panik glatt entfallen. Ich zeigte ihm aber keine Regung über diese Peinlichkeit, sondern blickte ihn nur trotzig an. „Oh doch! Ich gehe sehr wohl nach draußen!“, konterte ich.
    „Nein, werden Sie nicht!“
    „Oh doch!“
    „Nein!“
    „Doch!“
    „Nein!“ Seine Stimme war auf eine Lautstärke angeschwollen, die die Kirchenwände erzittern ließ.
    Aber so was konnte ich auch. „Ich muss hier raus! Ich kriege langsam einen Frischluft-Kollaps, man!“, schrie ich zurück.
    Pater Michael hob überrascht über mein Geschrei eine Augenbraue. Er war es wohl nicht gewöhnt, dass er angeschrien wurde.
    „Sie, als nicht „normaler Mensch“,“ ich malte Gänsefüßchen in die Luft, „brauchen vielleicht keine frische Luft und Sonne auf Ihrer Haut. In Ihrer Lunge ist anscheinend nur Staub. Aber ich, ich brauche den kühlen Wind und die Wärme der Sonnenstrahlen. Und nach drei Wochen unter der Erde, ohne jegliches Tageslicht gesehen zu haben, werde ich allmählich irre in diesem Kabuff!“ Ich konnte nichts gegen die Tränen tun, die mir nun in die Augen stiegen. Beschämt wandte ich mich ab und wischte sie mir mit dem Ärmel meiner Jacke weg, in der Hoffnung, dass der Pater sie nicht gesehen hatte.
    Eine Weile blieb es still um uns, und ich konnte mich etwas sammeln.
    „Kommen Sie mit!“, befahl mir Pater Michael und lief an mir vorbei in Richtung Büro.
    „Wieso?“, wollte ich wissen und starrte ihn wütend an.
    Er könnte sich echt mal diesen Befehlston abgewöhnen!
    „Ich möchte Ihnen etwas zeigen,“ antwortete er und wartete darauf, dass ich ihm folgte. Ich hatte herzlich wenig Lust ihm den Gefallen zu tun, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht sagte mir, dass er mich sich notfalls über die Schulter schmeißen würde. Und da ich das nicht erleben wollte, trabte ich hinter ihm her.
     
    Ich stand in seinem Büro. Pater Michael lief zu der Wand hinter seinem Schreibtisch und blieb neben dem Wandteppich, der dort hing, stehen. Schon dutzende Male hatte ich dieses Meisterwerk bewundert. Die vorherrschende Farbe war rot. Aber in der Mitte war das Gesicht der Heiligen Maria, Mutter Gottes, abgebildet. Ihr Teint war durch die zahlreichen Jahre erheblich verblasst, aber es war unverkennbar, dass die blauen, grünen und goldenen Garne einst farbenfroh geleuchtet haben mussten. Das Bildnis wirkte so lebensecht, jedes Mal,

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