Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
Tisch. Seine Ellenbogen stützten sich auf die Armlehnen, die Fingerkuppen seiner Hände lagen aneinander, und darüber hinweg starrte er den armen Reporter an, der sich sichtlich unwohl fühlte. Ich bemitleidete ihn. Ich wusste, wie es sein konnte, wenn der Pater einen so mit seinen schwarzen Augen anstarrte. So viel konnte er mit ihnen ausdrücken. Noch mehr als mit gesprochenen Worten. War er verärgert, bohrten sie sich so unangenehm in einen, dass man sich sofort bestraft fühlte. War er nachdenklich, so sah man in ihnen die Schatten der vergangenen Jahrhunderte, in denen er so viel gesehen hatte, dass er damit zahlreiche Geschichtsbücher füllen könnte. War der Pater traurig und er blickte einen an, konnte man durch seine Augen in sein Innerstes sehen und den Schmerz ebenfalls fühlen. Wenn er lachte, leuchteten sie wie Kinderaugen am Weihnachtsmorgen. Und wenn er einen sanft anblickte, so wurde einem vor Liebe von Kopf bis Fuß warm.
Ich glaube, die beiden saßen schon die ganze Zeit so da und hatten bestimmt nicht ein Wort miteinander gewechselt. Als ich in das Büro trat, blickte Pater Michael mich an und stand von seinem Platz auf. Auch der Reporter erhob sich. Pater Michael erkundigte sich bei mir, ob ich auch wirklich das ganze Arsenal an Waffen dabei hatte. Ich musste ihm dreimal versichern, dass ich nichts vergessen hatte. Dann verabschiedete ich mich von ihm und führte Mister Meyers hinaus, der dem Padre höflich eine gute Nacht wünschte. Er erhielt als Antwort nur ein Kopfnicken.
„Ich glaube, er kann mich nicht besonders gut leiden, Ihr Pater Michael,“ bemerkte der Reporter, nachdem wir die Kirche verlassen hatten.
Zum Glück hatte es mittlerweile aufgehört in Strömen zu regen. Ich blickte mich in alle Richtungen um und hielt Ausschau nach irgendwelchen Untieren. Es gab aber nur ein paar Jugendliche, die den nassen Bänken auf dem Platz vor der Kirche trotzten und sich lauthals in ihrem verkümmerten Jargon anschrien. Zwei von ihnen ließen ihrer künstlerischen Ader mit schwarzen Eddings an einem wehrlosen Mülleimer freien Lauf. Ich schüttelte darüber nur den Kopf. Heutzutage war nichts mehr sicher vor den Filzstiften der „coolen“ Kids. Eine jungfräuliche Fläche war ihnen ein Dorn im Auge.
„Er hegt eine gewisse Skepsis gegen diese ganze Sache, die wir veranstalten. Das ist alles. Machen Sie sich keine Sorgen,“ erklärte ich ihm kurz.
Der Reporter erwiderte darauf nichts, aber ich spürte seine Blicke auf mir, als er mich von der Seite musterte und sich seine eigenen Gedanken machte.
Der Weg zu seiner Wohnung war tatsächlich nicht weit. Wir standen vor der Haustür und führten unser Gespräch fort, das wir während des Laufens angefangen hatten. Er wollte etwas mehr darüber wissen, wie das Leben so mit einem Priester war und ob es für Pater Michael am Anfang nicht schwierig gewesen sei, mit einer Frau zusammenzuarbeiten, nachdem er es Jahrzehnte lang mit Männern zu tun gehabt hatte. Ich musste kichern, als ich mich an eine Situation erinnerte.
Damals wollte ich die Kirche am Tage verlassen, um ein paar Besorgungen zu machen. Der Pater wollte es mir aber nicht erlauben und meinte, er könne mir alles beschaffen, was ich brauchte. Ich sollte es ihm einfach sagen, aber das konnte ich nicht. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich meine Periode hatte. Ich wollte also selbst einkaufen gehen. Pater Michael wiederholte nochmals, dass ich am Tage nicht hinausgehen dürfe, und ich fragte ihn wieso. Schließlich besteht am Tage nicht die Gefahr, von den Monstern angegriffen zu werden. Er erwiderte: „Sie vergessen wohl, dass ich Sie von der Bildoberfläche habe verschwinden lassen. Sie können da jetzt nicht hinausgehen und fröhlich shoppen gehen. Wenn Sie jemandem begegnen, der Sie kennt, was glauben Sie, was dann los ist?“
Ich war total erstaunt darüber, und es konnte nur eines bedeuten. Ich fragte ihn, ob er meine Todesanzeige hatte drucken lassen. Als er mir nicht antwortete, blieb mir fast das Herz stehen. Ich hatte mit meiner Vermutung genau ins Schwarze getroffen. Ich musste mich wirklich dazu zwingen, ihn nicht anzuschreien.
„Sie verstehen also, Mister Meyers, wieso es so wichtig ist, dass Sie keine Namen in Ihrem Artikel nennen. Weder meinen noch Pater Michaels noch den Namen der Kirche.“
„Ja, ich verstehe,“ sagte er und nickte ernst.
Ich rechnete es ihm hoch an, dass er dafür Verständnis hatte. „Gut,“ sagte ich und fuhr mit
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