Die Jaegerin
anderes als abartig böse Kreaturen sein können.«
Alexandra erstarrte. Sie hatte nicht darüber sprechen wollen, doch seine Worte trafen sie ins Mark. Er klang, als könnten Vampyre tatsächlich auch anders sein. Als müssten sie nicht bösartig sein. »Was würden Sie glauben, wenn Ihnen ein Vampyr die Familie genommen hat? Könnten Sie dann etwas anderes als mordende Monster sehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Ich verurteile auch Catherines Vater für das, was er getan hat. Dennoch bin ich der Ansicht, dass nicht alle Vampyre von Grund auf böse sind. Ich glaube, dass der Akt der Umwandlung in einem Vampyr jene Seite hervorbringt, die auch in seiner menschlichen Form sein stärkster Antrieb war.« Ein Lächeln huschte über seine Züge. »Bei Catherine ist es die Sorge um die Menschen, die sie liebt.«
»Und was ist Ihr Antrieb?«
Daeron zuckte die Schultern. »Den Fluch von Catherine zu nehmen und sie endlich wieder glücklich zu sehen. Ich will, dass sie wieder unbeschwert lächeln kann.«
»Wenn es wirklich so wäre, wie sie sagen, warum gibt es dann nicht mehr Vampyre wie Catherine und Sie?«, hielt Alexandra dagegen. Sie zweifelte nicht daran, dass Daerons Theorie auf ihn und Catherine zutreffen mochte. Was die anderen Vampyre anging, irrte er sich. »Warum bin ich immer nur auf mordende Bestien gestoßen und nie auf welche, die Gutes tun wollen?«
»Vampyre werden überall als seelenlos und bösartig beschrieben. Welcher gute, gläubige Mensch würde sich freiwillig in eine derart gottlose Kreatur verwandeln lassen? Es sind immer nur die Gierigen und Schlechten, die das – in der Hoffnung auf ewiges Leben, Macht und Reichtum – auf sich nehmen. Alle anderen wurden unschuldig zum Opfer dieses Fluchs. So wie Catherine.«
Unschuldige Opfer. Ein Paar auffallend blauer Augen drängte sich in ihren Geist. Lucian schien kein schlechter Mensch gewesen zu sein und wurde auch nicht freiwillig zum Vampyr. Womöglich war er noch immer keine böse Kreatur. Ebenso gut konnte alles, was er erzählt hatte, eine Lüge gewesen sein. Aber warum sollte er das tun? Welchen Grund sollte er haben, ihr erst das Leben zu retten und dann Stunden damit zu verbringen, ihr seine Geschichte zu erzählen, wenn es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, sie einfach zu töten? Vielleicht war auch er anders. Sie sind mein Schicksal. War da Wärme in seinem Blick gewesen? Hastig schob sie den Gedanken von sich. Lucian Mondragon war ein Vampyr und sie eine Jägerin! Sie würde ihn vernichten wie jeden anderen Vampyr auch. Nur dass sie bei ihm dieselben Mittel einsetzen musste wie bei seinem Zwilling.
Es mochte nichts an ihrer Abscheu gegen Vampyre ändern, doch Daerons Theorie klang einleuchtend. War nicht auch der Wunsch ihres Bruders, die Welt zu sehen, so groß gewesen, dass er dafür selbst Alexandras Leben geopfert hätte? »Und wie sind Sie zum Vampyr geworden?«
»Ich war verwundet und wäre gestorben«, erklärte er so ruhig, als spräche er über etwas vollkommen Alltägliches. »Catherine wollte mich nicht verlieren.«
Alexandra starrte ihn an. Wie konnte er eine Frau lieben, die ihm etwas Derartiges angetan hatte! Zweifelsohne sprach das für seine Stärke und die Gefühle, die die beiden miteinander verbanden. Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. »Warum vertrauen Sie mir?«, fragte sie stattdessen. »Ich jage Ihresgleichen. Fürchten Sie nicht, dass ich – wenn alles vorüber ist – auch Sie und Catherine vernichten werde?«
»So weit wird es nicht kommen«, entgegnete er fest. »Mit der Vernichtung des Unendlichen werden auch wir unseren Frieden finden.«
Sie werden zu Staub zerfallen! Alexandra hütete sich jedoch davor, ihre Gedanken auszusprechen. Zweifelsohne kannten Daeron und Catherine die Folgen, die das Ende des Ersten Vampyrs auf ihr eigenes Dasein haben könnte.
Daeron sah sie an. »Kann ich mich darauf verlassen, dass unser Waffenstillstand so lange gilt, bis er vernichtet ist?«
»Mein Wort darauf.«
13
Eine alte Milchkanne in der Hand folgte Catherine dem Verlauf der Clyde Street. Es war noch nicht vollends dunkel, doch das Tageslicht hatte sich inzwischen weit genug hinter den Schleier der Dämmerung zurückgezogen, dass es gefahrlos möglich war, sich hinauszuwagen. Sie war froh, nicht länger im Haus sein zu müssen. Alexandra Boroi mochte eingewilligt haben, ihnen zu helfen, doch sie war noch immer eine Jägerin. Sie verabscheute Vampyre! Daran konnte auch das fragile
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