Die Jaegerin
als Catherine erzählte. Sie ist zweifelsohne wahnsinnig , hatte Lucian gesagt. »Das ist nicht alles, oder?«
»Nein, ist es nicht.« Es war Daeron, der auf ihre Frage antwortete. Im selben Augenblick griff er nach Catherines Hand und verflocht seine Finger mit ihren. »Das alles geschah vor über zweihundert Jahren im Glen Beag, Catherines Heimat. Seither fürchten sich die Menschen vor der Ushana, die damals, aus dem Tode auferstanden, die Burg ihres Bruders mit allen Anwesenden vernichtete. Sie hat –«
»Die Ushana holte meinen Vater aus dem Grab zurück.« Catherines Finger klammerten sich so fest um Daerons Hand, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Er war es, der mich zum Vampyr machte.«
Ihr war anzusehen, wie sehr ihr die Erinnerung zu schaffen machte. Dass sie dennoch so offen darüber sprach, beeindruckte Alexandra. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass auch Vampyre ihr eigenes Schicksal hatten. »Wie soll es nun weitergehen?«
»Heißt das, Sie werden uns helfen?«, hakte Daeron nach.
Für einen Moment dachte Alexandra daran, nur so lange zu bleiben, bis sie alle Informationen hatte, die sie brauchte, um das Kreuz zu finden. Sie fürchtete jedoch, dass die Vampyre über ein gutes Gespür verfügten, falls sie versuchen sollte sie hereinzulegen. Abgesehen davon würde sie im Kampf gegen den Unendlichen jede Hilfe brauchen, die sie bekommen konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich auf das Bündnis einzulassen. Deshalb nickte sie.
Einmal mehr wechselte er einen Blick mit Catherine, und erst als auch sie die Lippen in einem lautlosen »Ja« bewegte, sagte er: »Wir glauben zu wissen, wo das Kreuz ist, doch wir können dort nicht hin.«
»Heiliger Boden?«
»Eine Kirche.«
»Es wird bald dunkel. Worauf warten wir noch?« Alexandra wollte aufstehen. Daeron legte ihr eine Hand auf den Arm und hielt sie zurück. Um ein Haar wäre ihre Hand zum Silberdolch gezuckt. Es gelang ihr gerade noch, den Reflex zu unterdrücken. Langsam setzte sie sich wieder.
Da zog der Vampyr seine Hand zurück. »Vorher werden wir uns genauere Informationen beschaffen. Grundrisse, Lagepläne, Skizzen. Ich möchte gut vorbereitet sein, ehe wir losziehen.«
»Ich denke, im Augenblick gibt es nicht mehr viel zu sagen.« Catherine erhob sich.
Daeron schlang ihr einen Arm um die Taille und zog sie an sich. »Soll ich dich begleiten?«
Sie schüttelte den Kopf und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Dann nickte sie Alexandra zu, machte kehrt und verließ den Salon. Kurz darauf hörte Alexandra, wie die Haustür ins Schloss fiel. Zu ihrem Erstaunen fühlte sie sich allein in ap Fealans Gegenwart unbehaglicher als zuvor in der Gesellschaft beider Vampyre. Schlagartig kehrte ihr Misstrauen zurück. »Wo will sie hin?«
»Wir brauchen Nahrung.«
Diesmal griff Alexandra nach ihrem Dolch. Die Hand des Vampyrs schnellte vor und legte sich auf ihre, noch ehe sie die Waffe vom Tisch nehmen konnte. Sie wollte ihren Arm zurückziehen, doch er hielt ihre Finger fest. »Sie ist auf dem Weg zum Schlachter, um Tierblut zu holen.« Einen Moment lang ruhten seine Augen auf ihren, aber in seinem Blick lag nichts Hypnotisches. Er versuchte nicht sie zu beeinflussen, sondern lediglich ihre Reaktion abzuschätzen. Als Alexandra ihre Hand entspannte, zog er seinen Arm zurück und sagte: »Ich habe noch nie das Blut eines Menschen gekostet.«
Langsam nahm Alexandra die Hand vom Dolch. »Noch nie?« Es gelang ihr nicht, ihr Erstaunen zu unterdrücken. »Sie sind zweifelsohne die merkwürdigsten Vampyre, die mir je begegnet sind.« Alles an den beiden schien außergewöhnlich. Tierblut, statt auf Menschen Jagd zu machen. Die Blicke, mit denen sie einander bedachten. Die Fürsorge, mit der Daeron seine Gefährtin behandelte. Er liebte diese Frau aus ganzem Herzen. Wenn man ihn reden hörte, konnte man fast den Eindruck gewinnen, er sei gar kein seelenloses Monster. Ganz wie Lucian. Manche konnten ihre wahre Natur eben besser verbergen als andere! Dennoch gelang es ihr nicht länger, die Frage zu unterdrücken. »Warum sind Sie und Catherine so anders?«
Daeron betrachtete den Silberdolch. Seine Finger strichen in gebührendem Abstand über die Klinge, ohne sie zu berühren. »Ich glaube, dass das nichts mit anders sein zu tun hat.« Er sah auf. »Sie halten alle Vampyre für ruchlose Monster, nicht wahr? Vermutlich haben Sie eine schreckliche Erfahrung mit unseresgleichen gemacht. Etwas, das Sie davon überzeugt hat, dass wir nichts
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