Die Jaegerin
Bündnis nichts ändern, das nun zwischen ihnen bestand. Obwohl Catherine ihre Zustimmung gegeben hatte, mit ihr zusammenzuarbeiten, fühlte sie sich bei dem Gedanken nicht wohl. Sie verstand einfach nicht, warum Daeron bereit war, dieser Frau zu vertrauen. Seit er vorgeschlagen hatte, die Jägerin um Hilfe zu bitten, hatten sie mehr als nur einmal ausgiebig darüber gesprochen. Seine Argumente waren einleuchtend und zweifelsohne hatte er recht. Die Jägerin war ihre größte Chance. Aber wie konnte er erwarten, dass Catherine einer Frau vertraute, die versucht hatte sie umzubringen. Wäre er nicht gekommen, hätte die Kugel mein Herz getroffen!
Noch erstaunlicher als Daerons Glauben an dieses Bündnis war, dass sich die Jägerin überhaupt darauf eingelassen hatte. Catherine hätte nicht geglaubt, dass es Alexandra gelingen würde, ihren Hass so weit zu bezwingen, um in die Clyde Street zurückzukehren. Doch ihre Worte schienen aufrichtig gewesen zu sein. Womöglich war sie tatsächlich bereit mit ihnen zusammenzuarbeiten. Zumindest bis der Unendliche vernichtet ist. Über das Danach machte sich Catherine jedoch keine Gedanken. Wer konnte schon wissen, ob es überhaupt ein Danach geben würde. Sie würde also das Bündnis mit Alexandra Boroi akzeptieren und darauf vertrauen, dass Daeron ebenso wachsam blieb wie sie selbst.
Inzwischen hatte Catherine den Netherbow erreicht und durchschritt das offene Tor. War ihr in Canongate noch der eine oder andere Fußgänger begegnet, erschienen die Straßen auf der anderen Seite der Stadtmauer ausgestorben und tot. Die Dunkelheit hatte sich nun vollends über die Stadt gesenkt und die meisten Bewohner waren aus Furcht vor dem Wahnsinnigen Schlächter in ihre Behausungen geflüchtet, wo sie bis Tagesanbruch ausharren würden. Nur vereinzelt waren noch Menschen auf den Straßen unterwegs, hetzten ihrem Zuhause entgegen in der Hoffnung, auch diesmal mit dem Leben davonzukommen. In einiger Entfernung ratterte ein Fuhrwerk durch die Nacht.
Mit flinken Schritten folgte Catherine den Hügel der High Street hinauf. Der Schlachter war nicht weit entfernt; an der nächsten Querstraße musste sie nach links abbiegen und dann den langen Straßenzug entlanggehen bis zu ihrem Ziel in einem Hinterhof. Die Wohnung des Fleischers lag direkt über seinem Schlachthaus, deshalb musste er sich keine Sorgen über einen allzu gefährlichen Heimweg machen. Sicher würde sie ihn noch in seiner Schlachterei antreffen.
Catherine ging an einer weiteren Häuserzeile vorbei und passierte einen niedrigen Durchgang, der in einen Hinterhof zu führen schien. Im Vorübergehen glaubte sie eine Bewegung in den Schatten auszumachen. Jemand, der sich dort an die Wand drückte, um nicht gesehen zu werden. Zweifelsohne wäre dieser Jemand unentdeckt geblieben, doch Catherine sah im Dunkeln weit besser als normale Menschen. Dennoch war sie nicht sicher, ob sie tatsächlich die Silhouette eines Menschen gesehen hatte. Womöglich waren es auch nur irgendwelche Gegenstände, die dort abgestellt worden waren. Sie war einfach zu schnell vorbeigegangen, um es mit Gewissheit sagen zu können. Auch jetzt hielt sie weder inne noch verlangsamte sie ihren Schritt. Falls dort wirklich eine Gestalt in den Schatten lauerte, legte sie keinen Wert auf eine Begegnung. Während sie weiterhastete, wandte sie den Kopf und blickte über die Schulter die Straße entlang. Schwarz und mächtig ragte der Netherbow hinter ihr aus der Nacht, flankiert von den hohen Häusern, deren finstere Fassaden ihr entgegenstarrten. Auf der Straße und dem Gehsteig war niemand zu sehen. Dennoch wurde sie das beunruhigende Gefühl nicht los, dass dort etwas war. Catherine wurde schneller. Dass sie ein Vampyr war, bedeutete nicht, dass ihr nichts gefährlich werden konnte. Sie besaß keinerlei Kampferfahrung und verfügte nicht über die Stärke ihrer Art. Dafür ernährte sie sich zu unregelmäßig.
Was, wenn die Jäger auf sie aufmerksam geworden waren?
Obwohl sie sich immer weiter von der Stelle entfernte, glaubte sie eine Präsenz zu spüren. Jemand verfolgte sie! Ohne langsamer zu werden, streckte Catherine ihre Sinne aus und tastete in die Dunkelheit. Wenn jemand hinter ihr wäre, hätte sie den Widerhall seiner Schritte auf dem Pflaster hören müssen. Doch über der Straße lag Totenstille. Ebenso wenig nahm sie einen anderen Geruch wahr als den der Kloake, der zwischen den Häusern hervorkroch. Da war kein Leben hinter ihr, keine Wärme.
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