Die Jagd am Nil
fertigte eine Skizze von der Figur inmitten des siebenzackigen Sterns an und fügte die Reihe der griechischen Buchstaben hinzu. Aber auch so konnte er sich keinen Reim daraus machen. Frustriert schlug er auf das Armaturenbrett. Er hatte gedacht, dass alles sich zusammenfügen würde, sobald das Mosaik gefunden war. Doch er hatte sich getäuscht.
Auch der Notizblock war zu klein, um irgendeinen Sinn in dem Bild zu erkennen. Er beugte sich wieder nach hinten zu der Kiste, nahm eine Rolle Klebeband und eine billige Schere, zeichnete dann die Figur und jede der sieben Buchstabengruppen auf ein einzelnes Blatt und klebte diese in der Form des siebenzackigen Sterns an die Windschutzscheibe. Solche Heptagramme waren die Lieblingssymbole der Alchemisten gewesen, die geglaubt hatten, dass sieben Phasen nötig wären, um Blei in Gold zu verwandeln. Er überlegte, was er noch über Siebenecke wusste. Sie hatten als Talisman gegen das Böse gegolten, als ein Symbol Gottes, der göttlichen Gestalt.
Die göttliche Gestalt.
Hatte Augustin nicht die Hermaphroditen so genannt? Wenn alles aus einem Wesen entstanden war, musste dieses Wesen zwangsläufig sowohl männlich als auch weiblich sein. Atum hatte in seine Hand masturbiert. Der Zwitter. Adam Kadmon. Seine Gedanken schweiften ab.
Er begann, die Anordnung der Buchstabengruppen an der Windschutzscheibe zu verändern und suchte nach Mustern oder Anagrammen. Doch dann hörte er ein Motorengeräusch und schaltete schnell die Innenbeleuchtung aus. Ein Wagen kam in Sicht, der langsam umherfuhr und seine Frontlichter wie Suchscheinwerfer einsetzte, um das Zuckerrohrfeld abzuleuchten. Sie strichen an seinem Versteck vorbei, warfen schmale, gelbe Lichtstreifen auf die Blätter und verharrten für einen Augenblick auf zwei Buchstabengruppen, auf Θε und ΔΙ, ehe sie sich weiterbewegten. Wenn er nicht den Begriff ‹göttliche Gestalt› im Kopf gehabt hätte, wäre es ihm niemals aufgefallen: Transkribierte man ΘεΔΙ in die lateinische Schrift, erhielt man
thedi
, und
theoeides
war das griechische Wort für göttliche Gestalt. Damit hatte er einen dritten Hinweis auf ein und denselben Gedanken innerhalb eines Diagramms gefunden. Konnte das Zufall sein?
Der Wagen fuhr davon, und das Scheinwerferlicht verschwand. Knox wartete gut zwanzig Sekunden, dann konnte er es nicht mehr aushalten und schaltete die Innenbeleuchtung wieder an. Seine Stimmung trübte sich, als er sah, dass die beiden Gruppen Θε und ΔΙ nicht nebeneinanderstanden. Doch dann wurde ihm klar, dass sie durch die ungebrochene Außenlinie des siebenzackigen Sterns verbunden waren. Er notierte die Buchstabengruppe, auf die die Figur in der Mitte zeigte, und folgte der Buchstabenreihe dann von dieser Stelle aus.
КεΝ ΧΑΓ ΗΝ Θε ΔΙ ΤΡ ΣΚ.
Er starrte darauf und versuchte krampfhaft, eine Lösung zu finden, bis ihn die Antwort plötzlich wie ein Schlag traf. Aber er hatte keine Zeit zu feiern. In dem Moment war der andere Wagen wieder da und hatte seine Scheinwerfer direkt auf den Toyota gerichtet, sodass Knox nichts mehr sehen konnte.
Kapitel 47
I
Auch Knox schaltete seine Scheinwerfer an, trat dann das Gaspedal durch und jagte aus dem Zuckerrohrfeld. Die Reifen des Toyotas wirbelten hohe Wasserfontänen auf, trotzdem sah er die überraschten Gesichter in dem anderen Wagen. Der Fahrer riss das Lenkrad herum, der Beifahrer brüllte in sein Funkgerät. Knox raste an dem Feld entlang, bis er auf einen schmalen Weg bog, wo das Zuckerrohr gegen die Karosserie trommelte.
Auch vor ihm waren Scheinwerfer, ein Wagen fuhr eine Straße entlang, auf die Knox mit zu hoher Geschwindigkeit zuhielt, sodass er auf den gepflügten Acker auf der anderen Seite rutschte, ehe er den Wagen wieder unter Kontrolle bekam und erneut beschleunigen konnte. Als er um eine enge Kurve fuhr, sah er zwei Polizeiwagen, die die Straße versperrten, und trat auf die Bremse. Auf dem aufgeweichten Boden fanden die matschigen Reifen kaum Halt. Er legte den Rückwärtsgang ein, doch von hinten raste ein weiterer Polizeiwagen heran. Er bog von der Straße, fuhr eine Böschung hinab in ein sumpfiges Feld und schaltete den Vierradantrieb ein, um mehr Bodenhaftung zu haben. Der ihn verfolgende Polizeiwagen blieb wenig später stecken. Knox kam an eine Eisenbahnstrecke, bog nach links und holperte über die Schwellen. Er schaute in den Rückspiegel und hoffte, dass er davongekommen war. Doch dann tauchten hinter ihm Scheinwerfer auf und
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