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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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Sicherheit Jude. Vor allem aber hat er eine sehr enge Beziehung zwischen ihnen und den Essenern angedeutet. Die Therapeuten waren sein Ideal des beschaulichen Lebens, die Essener des aktiven Lebens. Ansonsten waren ihr Glauben und ihre Bräuche praktisch nicht zu unterscheiden.»
    «Wieso?»
    «Beide waren äußerst asketisch», antwortete Knox und kratzte einen Mückenstich auf seinem Unterarm. «Heute ist es eine Plattitüde, aber vor den Essenern hielt man Armut nicht für eine große Tugend. Wer in ihrer Gemeinschaft aufgenommen wurde, musste den größten Teil seines weltlichen Besitzes abgeben, genau wie bei den Therapeuten. Beide lehnten die Sklaverei ab und betrachteten es als Ehre, anderen zu dienen. Beide zollten ihren Ältesten größten Respekt. Beide waren Vegetarier und missbilligten Tieropfer,vielleicht weil beide an die Wiedergeburt glaubten. Beide kleideten sich in weißes Leinen. Beide waren berühmt für ihre medizinischen Kenntnisse. Einige Historiker sind der Meinung, dass die Namen Essener und Therapeuten aus den aramäischen und griechischen Wörtern für Heiler abgeleitet sind; es ist jedoch wahrscheinlicher, dass beide ‹Diener Gottes› bedeuten.» Er bog nach Süden auf den niedrigen Damm, der durch den Mariutsee führte. Auf den felsigen Böschungen verbummelten ein paar Angler den Tag. «Bei beiden spielten Reinigungsrituale eine große Rolle. Beide lebten größtenteils oder vollständig zölibatär und hielten ihre Zahl eher durch Missionsarbeit als durch Zeugung konstant. Beide sangen Wechselgesänge. Einige Passahlieder, die in Qumran gefunden wurden, könnten genauso gut von den Therapeuten komponiert worden sein. Beide benutzten den Sonnenkalender und nicht, wie bei den Juden üblich, den Mondkalender. Und beide hielten sich an ein Jahr mit dreihundertvierundsechzig Tagen, obwohl ihnen die Ungenauigkeit dieser Festlegung bekannt war.»
    Sie erreichten das Südufer des Sees, einen kargen Landstrich mit Beduinensiedlungen, weitläufigen Industrieanlagen, klotzigen Villen Neureicher und riesigen Abschnitten felsigen Ödlandes, für das noch niemand eine Verwendung gefunden hatte. Knox hielt am Wegesrand an, um auf die Karte zu schauen. Aus dem Schilf heraus starrte ihn ein Graureiher an. Er blinzelte, und der Vogel flatterte gemächlich davon.
    «Die Essener und die Therapeuten», sagte Omar nachdenklich.
    «Genau», meinte Knox nickend und fuhr mit der Karte auf dem Schoß nach Westen weiter, wobei er sich so nah, wie es die Straßen erlaubten, am See hielt. «Beide waren sehr an den verborgenen Bedeutungen der heiligen Schriften interessiert. Beide kannten Geheimnisse, die sie nicht preisgeben durften, wie zum Beispiel die Namen von Engeln. Geometrie, Numerologie, Anagramme undWortspiele hatten bei beiden eine besondere Bedeutung, genauso Jubiläen. Die Therapeuten veranstalteten alle sieben Tage ein Fest, ein weiteres, noch wichtigeres, alle fünfzig Tage. Die Fünfzig war eine besondere Zahl, weil sie die Summe von drei im Quadrat plus vier im Quadrat plus fünf im Quadrat ist, und drei, vier und fünf sind die Seiten des rechtwinkligen Dreiecks, das für sie der Grundbaustein des Universums war.»
    «Rechtwinklige Dreiecke? Ist das nicht eher griechisch als jüdisch?»
    «Ganz genau», stimmte Knox zu und bog in einen schmalen Weg. Rechts lagen flache Felder, links nackte Kalksteinfelsen. «Sie hatten erstaunlich viel mit den Pythagoreern gemeinsam. Die Ernährung, den Kalender, Rituale, Glauben. Genau die Dinge, die ich eben erwähnt habe. Außerdem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass sie die Sonne angebetet haben. Im antiken Alexandria wurde behauptet, dass Pythagoras all sein Wissen von Moses hergeleitet hat und dass seine Religion im Grunde eine ägyptische war. Schließlich hat er zwanzig Jahre hier gelebt. Es kann also gut sein, dass er seine ganzen Erkenntnisse am gleichen Ort gefunden hat wie die Therapeuten.»
    Links neben der Straße verlief ein Bewässerungskanal, an dessen Ufer Ziegen weideten. Das gesamte Gebiet war mit Kanälen durchzogen, die Süßwasser aus dem Nil verteilten. Nach seiner Berechnung musste die Ausgrabungsstätte irgendwo auf der anderen Seite liegen. Er fuhr weiter, bis er geradeaus vor sich eine alte Steinbrücke sah, die von Männern bewacht wurde. Sie saßen an einem Holztisch und spielten Backgammon. Knox bog nach links auf die Brücke und hielt neben ihnen an. «Ist das hier die Ausgrabung der Texanischen Gesellschaft?», fragte

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