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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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unter die Erde. Lagern Sie es vorerst in den Katakomben.»
    «Und Sie? Was werden Sie tun?»
    «Das Werk des Herrn, Bruder Griffin, das Werk des Herrn.»
    Griffin erblasste. «Sie wollen doch nicht ernsthaft weitermachen?»
    «Haben Sie vergessen, warum wir hier sind, Bruder Griffin?»
    «Nein, Reverend.»
    «Worauf warten Sie dann?» Voller Verachtung schaute Peterson dem davonschleichenden Griffin hinterher. Ein Mann mit einemfurchtbar schwachen Glauben, aber wenn man das Werk des Herrn tat, musste man die zur Verfügung stehenden Werkzeuge nutzen. Er marschierte auf einen Felshügel und genoss die Muskelanspannung in den Schenkeln und Waden, die Wärme auf dem Nacken, seinen langen, harten Schatten, den die Sonne auf den Sand warf. Er hatte niemals geglaubt, dass er sich in Ägypten – weit weg von seiner Kirche, seiner Gemeinde und seiner Heimat – so wohl fühlen würde. Doch das Licht hatte hier eine Qualität, als hätte es, wie er selbst, Buße getan und wäre gereinigt worden.
    Er atmete tief ein. Die frühesten christlichen Mönche hatten diesen Ort gewählt, um Gottes Ruf zu folgen. Peterson hatte dies immer für einen Zufall der Geschichte und der Geographie gehalten, bis ihm klar geworden war, dass mehr dahintersteckte. Dies war ein vollkommen spiritueller Ort, umso mehr, je weiter man in die Wüste vordrang. Man spürte es an der sengenden Sonne, am Schweiß und Schmerz der körperlichen Mühen, daran, wie herrlich das Wasser über die ausgetrocknete Haut und die Lippen rann. Man erblickte es in den sinnlichen Formen der goldenen Dünen und dem schimmernden blauen Himmel. Man hörte es in der Stille.
    Er blieb stehen, vergewisserte sich, dass ihn niemand sehen konnte, und stieg dann in die leichte Senke, in der sie vor zwei Jahren die Öffnung des Schachts gefunden hatten. In den ersten beiden Jahren hatte er sich durch Griffins Sorgen bremsen lassen, sodass sie während des Tages den Friedhof und die alten Gebäude ausgegraben hatten und ihrer wahren Aufgabe erst nachgegangen waren, wenn die ägyptischen Mitarbeiter Feierabend gemacht hatten. Doch jetzt war er mit seiner Geduld am Ende. Vom Temperament her war er ein Prediger des Alten Testaments und verachtete die göttlichen Sozialarbeiter, die von so vielen modernen Religionsführern bevorzugt wurden. Sein Gott war ein eifersüchtigerGott, ein strenger und fordernder Gott. Ein Gott der Liebe und der Vergebung für jene, die ihm vollständig ergeben waren, aber ein Gott des erbitterten Zorns und der Rache für seine Feinde und all jene, die ihn enttäuschten.
    Peterson hatte nicht die Absicht, seinen Gott zu enttäuschen. Er hatte noch eine Nacht, um seine heilige Mission zu vollenden. Und er wollte das Beste daraus machen.

Kapitel 6
    I
    «Den bahnbrechenden Teil?», fragte Gaille.
    Stafford zögerte, war aber offenbar so stolz auf seine Theorien, dass er sie beeindrucken wollte. Er, der Außenseiter unter den Historikern, der es den etablierten Akademikern zeigte. «Ich werde Ihnen nicht alles erzählen», sagte er. «Nur so viel: Ja, beinahe jeder moderne Text über Echnaton erwähnt die Möglichkeit der einen oder anderen Krankheit. Aber nur als Zusatz, als
Nebensache
, verstehen Sie? Die meisten Autoren übergehen diesen Aspekt schnell. Ich glaube jedoch, dass er eine eingehende Betrachtung verdient. Denn wenn die Vermutung stimmt, hätte es eine tiefgreifende Auswirkung gehabt. Stellen Sie sich vor: Ein junger Mann bekommt plötzlich eine verwirrende, entstellende und unheilbare Krankheit. Und zwar kein normaler junger Mann, sondern einer mit beinahe unbegrenzter Macht, einer, der von seinem unterwürfigen Hof als lebender Gott angesehen wird. Können Sie sich vorstellen, wie sich dieser Umstand auf die Gesellschaft und ihr Denken ausgewirkt hat? Die Priester ersinnen neue Theologien, die seine Krankheitsmuster als Segen, nicht als Fluch erklären, die Künstler streben danach, Entstellung als Schönheit darzustellen. Echnaton hat immer gelobt, Amarna nie zu verlassen, weil es die spirituelle Heimat seines neuen Gottes, Aton, war. Doch im Grunde klingen seine Beschwörungen eher wie die Schmeicheleien eines jungen Mannes, der nach Ausreden sucht, um zu Hause zu bleiben. Amarna war seine Zuflucht. Denn die Leute dort hätten es nie gewagt, ihm das Gefühl zu geben, er wäre eine Missgeburt.»
    «Vielleicht», sagte Gaille.
    «Da gibt es kein Vielleicht», erwiderte Stafford. «Das alles wird durch die Krankheit erklärt. Wissen Sie, dass seine

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