Die Jagd beginnt
»Du bist mir für ihr Leben verantwortlich, Hurin. Loial?« Er gab dem Braunen sanft die Fersen. Das große Reittier des Ogiers polterte hinterher.
Sie bemühten sich erst gar nicht, schnell vorwärtszukommen. Die Nacht verbarg den Abhang, und die Mondschatten machten den Boden unübersichtlich. Rand konnte das Feuer nicht mehr sehen – zweifellos war es dem Beobachter verborgen, der sich auf gleicher Höhe befand –, aber er hatte die Lage im Kopf. Für jemanden, der im Gewirr des Westwalds im Gebiet der Zwei Flüsse das Jagen erlernt hatte, stellte es keine große Schwierigkeit dar, das Feuer zu finden. Und was dann? Selenes Gesicht tauchte vor ihm auf. Wie stolz wäre ich, an der Seite dessen zu stehen, der das Horn in Händen hält.
»Loial«, sagte er plötzlich in einem Versuch, wieder klarer zu denken, »was bedeutet dieses Alantin , mit dem sie dich immer bezeichnet?«
»Das ist in der Alten Sprache, Rand.« Das Pferd des Ogiers suchte sich unsicher seinen Weg, aber er lenkte es beinahe so sicher wie bei Tageslicht. »Es bedeutet ›Bruder‹ und ist die Kurzform von Tia avende Alantin. Bruder der Bäume. Baumbruder. Es ist sehr förmlich, aber ich habe gehört, dass die Leute in Cairhien Formalitäten lieben. Zumindest die Adelshäuser. Die einfachen Menschen, die ich dort sah, benahmen sich überhaupt nicht förmlich.«
Rand runzelte die Stirn. Ein Schäfer wäre unter diesen Umständen wohl kaum annehmbar für ein Adelshaus aus Cairhien gewesen. Licht, Mat hatte Recht. Du spinnst und hast dazu einen mächtig geschwollenen Kopf. Aber wenn ich heiraten könnte …
Er hätte etwas dafür gegeben, die Stimme in seinem Kopf zum Schweigen bringen zu können, und bevor es ihm bewusst wurde, hatte sich in ihm das Nichts gebildet und ließ die Gedanken fern erscheinen, als seien sie Teil eines anderen Menschen. Saidin beleuchtete ihn, lockte ihn. Er knirschte mit den Zähnen und wollte es nicht wahrhaben. Es war, als versuche er, eine glühende Kohle in seinem Kopf nicht zur Kenntnis zu nehmen; aber wenigstens wurde es nicht schlimmer. Doch beinahe hätte er das Nichts verlassen, aber dort draußen in der Nacht befanden sich die Schattenfreunde, und sie kamen immer näher. Und die Trollocs. Er brauchte die Leere, brauchte sogar die halbherzige Ruhe des Nichts. Ich muss es nicht berühren. Ich muss nicht.
Nach einer Weile hielt er den Braunen an. Sie standen am Fuß eines Hügels. Die weit verstreuten Bäume auf dem Abhang waren schwarze Schemen in der Nacht. »Ich glaube, wir sind jetzt ganz nahe«, flüsterte er. »Am besten gehen wir den Rest des Wegs zu Fuß.« Er glitt aus dem Sattel und band die Zügel des Hengstes an einen Ast.
»Fühlst du dich wohl?«, flüsterte Loial beim Absteigen. »Du klingst so eigenartig.«
»Mir geht’s gut.« Seine Stimme klang äußerst angespannt, merkte er. Gedehnt. Saidin rief ihn zu sich. Nein! »Sei vorsichtig. Ich kann nicht sicher sagen, wie weit es noch ist, aber das Feuer befindet sich irgendwo direkt vor uns. Auf der Hügelkuppe, vermute ich.« Der Ogier nickte.
Vorsichtig schlich sich Rand von Baum zu Baum, setzte einen Fuß vor den anderen und hielt sein Schwert fest, damit es nicht gegen einen Baumstamm schlug. Er war dankbar dafür, dass es kaum Unterholz gab. Loial folgte ihm wie ein großer Schatten – viel mehr konnte Rand von ihm nicht sehen. Alles schien nur aus Mondschatten und Dunkelheit zu bestehen.
Plötzlich löste irgendein besonderer Einfallswinkel des Mondscheins die Schatten vor ihm auf, und er erstarrte. Er hielt sich an der rauen Rinde eines Lederblattbaums fest. Undeutliche Erhebungen auf dem Boden vor ihm verwandelten sich zu Männern, die in Decken gehüllt waren. Ein Stück entfernt fiel sein Blick auf eine Gruppe größerer Erhebungen. Schlafende Trollocs. Sie hatten das Feuer gelöscht. Ein Mondstrahl, der sich zwischen den Ästen durchschob, enthüllte einen goldenen und silbernen Schimmer am Boden in der Mitte zwischen beiden Gruppen. Der Mondschein schien heller zu werden; für einen Augenblick hatte er klare Sicht. Die Gestalt eines schlafenden Mannes lag neben dem Schimmer, aber er war es nicht, der seinen Blick anzog. Die Truhe. Das Horn. Und etwas obenauf. Ein roter Lichtpunkt erstrahlte im Mondschein. Der Dolch! Warum legte Fain den …?
Loials riesige Hand legte sich auf Rands Mund. Er wandte sich um und sah den Ogier an. Loial zeigte bedächtig nach rechts.
Zuerst konnte Rand nichts entdecken. Dann bewegte sich ein
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