Die Jagd beginnt
zu. »Ich würde Elaida nicht sagen, wo er ist, auch wenn ich es wüsste, Egwene. Er hat meines Wissens nichts Böses getan, und ich fürchte, sie will ihn auf irgendeine Art benutzen. Außerdem habe ich sie seit dem Tag unserer Ankunft nicht mehr gesehen. Wir hatten Weißmäntel auf den Fersen. Sie lagern immer noch am Abhang des Drachenbergs.« Plötzlich sprang sie auf. »Lass uns von erfreulicheren Dingen reden! Es sind noch zwei andere hier, die Rand kennen, und ich würde dich einer davon gern vorstellen.« Sie nahm Egwenes Hand und zog sie aus dem Zimmer.
»Zwei Mädchen? Rand scheint eine Menge Mädchen zu kennen.«
»Mmmmm?« Elayne zog Egwene noch weiter durch den Korridor, musterte sie aber dabei eingehend. »Ja. Na ja. Eine von ihnen ist eine faule Schlampe namens Else Grinwell. Ich glaube nicht, dass sie lange hier bleibt. Sie vernachlässigt ihre Pflichten und stiehlt sich immer fort, um den Behütern beim Üben mit ihren Schwertern zuzusehen. Sie behauptet, Rand sei mit einem Freund zum Hof ihres Vaters gekommen. Mat. Es scheint, sie haben ihr über die Welt außerhalb ihres Dorfs einen Floh ins Ohr gesetzt, und so rannte sie weg, um Aes Sedai zu werden.«
»Männer«, murmelte Egwene. »Ich tanze ein paar Mal mit einem netten Jungen, und Rand läuft herum, als habe er Zahnschmerzen, aber er …« Sie brach ab, als vor ihnen ein Mann in den Gang trat. Neben ihr blieb auch Elayne stehen, und ihre Hand fasste die Egwenes fester.
Abgesehen von seinem plötzlichen Auftreten war nichts Bedrohliches an ihm. Er war groß und attraktiv, von beinahe schon mittlerem Alter und trug sein dunkles lockiges Haar lang. Doch seine Schultern hingen herab, und in seinem Blick lag Trauer. Er bewegte sich nicht auf Egwene und Elayne zu, sondern stand einfach nur da und sah sie an, bis eine der Aufgenommenen hinter ihm erschien.
»Ihr solltet nicht hier drinnen sein«, sagte sie nicht unfreundlich zu ihm.
»Ich wollte spazieren gehen.« Seine Stimme war tief und genauso traurig wie seine Augen.
»Ihr könnt draußen im Garten spazieren gehen, wo Ihr Euch aufhalten solltet. Der Sonnenschein wird Euch gut tun.«
Der Mann lachte bitter auf. »Wo zwei oder drei von Euch jeden meiner Schritte beobachten? Ihr habt doch nur Angst, dass ich ein Messer finden könnte.« Der Blick in den Augen der Aufgenommenen brachte ihn erneut zum Lachen. »Für mich selbst, Frau. Für mich. Führt mich in Euren Garten und zu Euren wachsamen Augen.«
Die Aufgenommene berührte leicht seinen Arm und führte ihn weg.
»Logain«, sagte Elayne, als er fort war. »Der falsche Drache!«
»Er wurde der Dämpfung unterzogen, Egwene. Jetzt ist er nicht gefährlicher als jeder andere Mann. Aber ich erinnere mich daran – als ich ihn vorher sah –, dass sechs Aes Sedai nötig waren, um ihn davon abzuhalten, die Macht zu benützen und uns alle zu vernichten.« Sie schauderte.
Egwene überlief es kalt. Das also würden die Roten auch mit Rand machen.
»Müssen sie eigentlich immer der Dämpfung unterzogen werden?«, fragte sie. Elayne sah sie mit offenem Mund an, und so fügte sie schnell hinzu: »Ich denke nur, dass die Aes Sedai einen anderen Weg finden könnten, mit ihnen umzugehen. Anaiya und Moiraine sagten, dass die größten Werke im Zeitalter der Legenden von Männern und Frauen gemeinsam mithilfe der Macht geschaffen wurden. Ich dachte mir daher, sie würden versuchen, einen Weg in diese Richtung zu finden.«
»Lass das bitte keine Rote Schwester hören, auch wenn du nur laut denkst. Egwene, sie haben es versucht. Dreihundert Jahre lang, nachdem die Weiße Burg erbaut war, haben sie es versucht. Sie gaben es auf, weil sie keinen Erfolg hatten. Komm weiter. Ich möchte dir Min vorstellen. Aber – dem Licht sei Dank – nicht in dem Garten, in dem Logain spazieren geht.«
Der Name kam Egwene irgendwie bekannt vor, und als sie die junge Frau sah, wusste sie auch, warum. Ein schmaler Bach floss durch den Garten, mit einer niedrigen Steinbrücke darüber, und auf der Seitenmauer der Brücke saß Min mit übergeschlagenen Beinen. Sie trug hautenge Männerhosen und ein weites Hemd, und da ihr dunkles Haar kurz geschnitten war, konnte man sie beinahe für einen Jungen halten, allerdings für einen ungewöhnlich hübschen. Neben ihr auf der Brüstung lag ein grauer Mantel.
»Ich kenne dich«, sagte Egwene. »Du hast in der Schenke in Baerlon gearbeitet.« Eine leichte Brise kräuselte das Wasser unter der Brücke zu kleinen Wellen, und in
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