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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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überzog das Gesicht der Frau, und Nynaeve drehte sich beinahe der Magen um, als ihr klar wurde, dass die Sul’dam sie wörtlich genommen hatte. Wenn sie glaubt, ich könne das, dann nur deshalb, weil sie Bescheid weiß. Dazu sind die Leinen da. Sie riss sich entschlossen zusammen, um sich nicht rasch das Armband abzureißen. Stattdessen machte sie eine unnachgiebige Miene. »Bist du so weit, dass du mir Antworten gibst? Oder muss ich dich noch überzeugen?«
    Das verzweifelte Kopfschütteln reichte aus. Als Nynaeve den Knebel herausnahm, schwieg die Frau nur einen Moment lang, um Luft zu holen und zu schlucken. Dann plapperte sie los: »Ich werde Euch nicht verraten, das schwöre ich. Nehmt nur bitte das Ding von meinem Hals! Ich habe Gold. Nehmt es. Ich schwöre, ich werde Euch nie verraten!«
    »Sei ruhig!«, fauchte Nynaeve, und die Frau schloss den Mund augenblicklich. »Wie heißt du?«
    »Seta. Bitte. Ich antworte ja, aber bitte, nehmt – es – weg! Wenn mich jemand damit sieht …« Setas Blick fiel hinunter zu der Leine, und sie schloss die Augen. »Bitte!«, flüsterte sie.
    Etwas wurde Nynaeve in dem Augenblick klar: Sie konnte Elayne dieses Halsband nicht anlegen.
    »Es ist das Beste, wenn wir jetzt wie vorgesehen weitermachen«, sagte Elayne mit fester Stimme. Sie stand jetzt ebenfalls in Unterwäsche da. »Gib mir einen Augenblick Zeit, um dieses andere Kleid anzuziehen und …«
    »Zieh wieder dein eigenes Kleid an«, sagte Nynaeve.
    »Jemand muss doch die Damane spielen«, sagte Elayne, »sonst kommen wir nie bis zu Egwene. Das andere Kleid passt nur dir, und Min kommt nicht infrage. Also bleibe nur ich.«
    »Ich sagte, du ziehst dich wieder an! Wir haben jemand anders, die unsere Angeleinte sein wird.« Nynaeve zupfte an der Leine, und Seta schnappte entsetzt nach Luft.
    »Nein! Bitte nicht! Falls mich jemand sieht …« Unter Nynaeves kaltem Blick erstarben ihr die Worte auf den Lippen.
    »Was mich betrifft, bist du schlimmer als eine Mörderin, schlimmer als jeder Schattenfreund. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als dich. Die Tatsache, dass ich dieses Ding am Arm tragen muss, selbst wenn es nur für eine Stunde ist, macht mich krank. Wenn du glaubst, es gäbe etwas, das ich dir nicht antun könnte, dann irrst du dich gewaltig. Du willst nicht gesehen werden? Gut. Wir auch nicht. Aber es schaut sowieso keiner eine Damane an. Solange du zu Boden schaust, wie man das von einer Angeleinten erwartet, wird dich niemand erkennen. Aber du solltest dein Bestes geben, dass auch wir nicht bemerkt werden. Werden wir bemerkt, dann bist auch du fällig, und wenn das als Grund nicht ausreicht, werde ich dafür sorgen, dass du den ersten Kuss verfluchst, den deine Mutter deinem Vater gab. Verstehen wir uns?«
    »Ja«, seufzte Seta geschlagen. »Ich schwöre es.«
    Nynaeve musste das Armband entfernen, damit sie Elaynes grau eingefärbtes Kleid die Leine entlang über Setas Kopf streifen konnten. Es passte der Frau nicht besonders gut. Am Busen saß es zu locker und an den Hüften zu stramm. Aber Nynaeves Kleid hätte noch schlechter gepasst und wäre außerdem zu kurz gewesen. Nynaeve hoffte, dass die Leute eine Damane wirklich nicht genau musterten. Zögernd legte sie das Armband wieder an.
    Elayne hob Nynaeves Kleider auf, wickelte das andere gefärbte Kleid darum und machte ein Bündel daraus, wie es eine Frau in Bauernkleidung sehr wohl einer Sul’dam und ihrer Damane hinterhertragen durfte. »Gawyn wird sich grämen, wenn er davon hört«, lachte sie. Es klang gekünstelt.
    Nynaeve musterte sie und Min genau. Es wurde Zeit für den wirklich gefährlichen Teil ihres Unternehmens. »Seid ihr bereit?«
    Elaynes Lächeln verschwand. »Ich bin bereit.«
    »Fertig«, sagte Min knapp.
    »Wo wollt ihr … wohin gehen wir?«, fragte Seta schnell und fügte hinzu: »Wenn ich fragen darf.«
    »In die Höhle des Löwen«, antwortete Elayne.
    »Um mit dem Dunklen König zu tanzen«, sagte Min.
    Nynaeve seufzte und schüttelte den Kopf. »Sie wollen damit einfach sagen, dass wir dorthin gehen, wo man die Damane untergebracht hat, und dann werden wir eine von ihnen befreien.«
    Seta brachte vor Verblüffung den Mund nicht mehr zu, während sie sie aus dem Schuppen beförderten.
    Bayle Domon beobachtete vom Deck seines Schiffes aus die aufgehende Sonne. Der Hafen war bereits sehr belebt, obwohl die Straßen, die von hier aufwärts führten, noch beinahe leer waren. Eine Möwe hatte sich auf einem Bündel

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