Die Jagd beginnt
Nynaeve muss irgendetwas getan haben, oder du hättest die Zeit nicht überlebt, bis wir dich zu Verin brachten. Nynaeve aber sagt, sie habe viel zu viel Angst gehabt, um irgendetwas zu versuchen. Es … stimmt etwas mit deiner Wunde nicht. Du wirst warten müssen, bis sie auf natürlichem Weg heilt.« Sie machte sich offensichtlich Sorgen.
»Moiraine ist hier?« Er lachte bitter. »Als du sagtest, Verin sei weg, glaubte ich schon, ich wäre endlich alle Aes Sedai los.«
»Ich bin hier«, sagte Moiraine. Sie erschien ganz in Blau gekleidet und genauso würdevoll wie in der Weißen Burg. Sie trat an sein Lager und stand direkt über ihm.
Min sah die Aes Sedai finster an. Rand hatte das eigenartige Gefühl, dass sie ihn vor Moiraine beschützen wolle.
»Ich wünschte, Ihr wärt nicht hier«, sagte er zu der Aes Sedai. »Soweit es mich betrifft, könnt Ihr wieder in Euer Versteck zurückgehen und dort bleiben.«
»Ich habe mich nicht versteckt«, sagte Moiraine gelassen. »Ich habe getan, was ich konnte, hier auf der Toman-Halbinsel und in Falme. Es war wenig, doch ich habe viel dabei erfahren. Ich habe es nicht geschafft, zwei meiner Schwestern zu retten, bevor die Seanchaner sie mit den Angeleinten auf die Schiffe trieben, aber ich habe getan, was in meinen Möglichkeiten lag.«
»Was Ihr konntet, so. Ihr habt mir Verin hinterher geschickt, um mich zu bewachen, aber ich bin kein Schaf, das man treiben kann, Moiraine. Ihr habt gesagt, ich könne gehen, wohin ich wolle, und ich will dorthin, wo Ihr nicht seid.«
»Ich habe Verin nicht geschickt.« Moiraine runzelte die Stirn. »Sie muss von allein nachgekommen sein. Viele Leute interessieren sich für Euch, Rand. Hat Fain Euch gefunden oder Ihr ihn?«
Der plötzliche Themenwechsel überraschte ihn. »Fain? Nein. Ich bin schon ein großartiger Held. Ich habe versucht, Egwene zu befreien, und Min ist mir zuvorgekommen. Fain sagte, er werde in Emondsfelde etwas anstellen, falls ich ihm nicht gegenübertrete, und ich habe ihn nicht einmal gesehen. Ist er auch mit den Seanchanern abgesegelt?«
Moiraine schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüsste Bescheid. Aber es ist gut, dass Ihr ihn nicht aufgespürt habt, jedenfalls so lange Ihr nicht wisst, wer er ist.«
»Er ist ein Schattenfreund.«
»Mehr als nur das. Schlimmer. Padan Fain war bis auf den Grund seiner Seele eine Kreatur des Dunklen Königs, aber ich glaube, dass er in Shadar Logoth Mordeth zum Opfer fiel, der den Schatten mit genauso bösartigen Mitteln bekämpfte wie der Schatten ihn. Mordeth versuchte, Fains Seele zu verschlingen, um wieder einen menschlichen Körper zu besitzen, aber er fand eine Seele vor, die unmittelbar vom Dunklen König berührt worden war. Das Ergebnis … Das Ergebnis war weder Padan Fain noch Mordeth, sondern etwas noch viel Böseres: ein aus beiden verschmolzenes Wesen. Fain, nennen wir ihn einfach einmal so, ist gefährlicher, als Ihr glaubt. Ihr hättet ein solches Zusammentreffen möglicherweise nicht überlebt, und falls doch, wärt Ihr vielleicht schlimmer dran gewesen als ein Diener des Schattens.«
»Wenn er noch lebt und nicht mit den Seanchanern gesegelt ist, dann muss ich …« Er brach ab, als sie sein Reiherschwert unter ihrem Umhang hervorzog. Die Klinge war einen Fuß vom Griff entfernt zu Ende, als sei sie geschmolzen. Die Erinnerungen stürmten auf ihn ein. »Ich habe ihn getötet«, sagte er leise. »Diesmal habe ich ihn getötet.«
Moiraine legte das zerstörte Schwert zur Seite wie ein nutzloses Ding, was ja nun auch stimmte. Sie wischte sich die Hände ab. »Den Dunklen König tötet man nicht so leicht. Die bloße Tatsache, dass er am Himmel über Falme erschien, ist schon mehr als beunruhigend. Ihm sollte das eigentlich nicht gelingen, wenn er noch so sicher gefangen ist, wie wir glaubten. Und wenn nicht, warum hat er uns dann nicht alle vernichtet?« Min rutschte nervös umher.
»Am Himmel?«, fragte Rand erstaunt.
»Ihr beide«, sagte Moiraine. »Euer Kampf fand am Himmel statt, und jede Menschenseele in Falme konnte zusehen. Vielleicht sogar auf der ganzen Toman-Halbinsel, wenn man dem Glauben schenkt, was ich gehört habe.«
»Wir … wir haben alle zugesehen«, sagte Min mit leiser Stimme. Sie legte beruhigend eine Hand auf Rands Hand.
Moiraine fasste erneut unter ihren Umhang und zog ein zusammengerolltes Dokument hervor, einen der großen Bogen, wie sie die Straßenmaler in Falme verwendeten. Die Kreiden waren ein
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