Die Jagd beginnt
einen davon hält, oder?« Mat antwortete natürlich nicht. Perrin rieb sich reuevoll die Nase. »Jetzt führe ich schon Selbstgespräche. Das geht nun wirklich nicht an.«
Mats Augenlider zuckten. »Wer …? Perrin? Was ist passiert?« Seine Augen öffneten sich nicht ganz, und seine Stimme klang, als schlafe er noch halb.
»Erinnerst du dich nicht, Mat?«
»Erinnern?« Mat hob schläfrig eine Hand vors Gesicht und ließ sie dann seufzend wieder fallen. »Erinnere mich … Egwene. Bat mich … hinunterzugehen zu Fain.« Er lachte, und das Lachen wandelte sich zu einem Gähnen. »Sie bat nicht … hat es mir befohlen … Weiß nicht, was geschah …« Er schmatzte mit den Lippen und verfiel wieder in das tiefe, gleichmäßige Atmen des Schlafes.
Perrin sprang auf, als er das Geräusch sich nähernder Schritte hörte, aber er fand keine Zuflucht. Er stand immer noch neben Mats Bett, als sich die Tür öffnete und Leane hereinkam. Sie blieb stehen, stemmte die Hände in die Hüften und musterte ihn von oben bis unten. Sie war beinahe so groß wie er.
»Also«, sagte sie in ruhigem Tonfall, »du bist beinahe schon ein so hübscher Junge, dass ich mir wünschte, ich gehörte zu den Grünen. Beinahe. Aber wenn du meinen Patienten gestört hast … na ja, ich bin mit Brüdern fertig geworden, die fast so groß waren wie du, bevor ich zur Weißen Burg kam, also musst du nicht glauben, dass deine breiten Schultern dir helfen werden.«
Perrin räusperte sich. In der Hälfte aller Fälle verstand er nicht, was Frauen meinten, wenn sie ihm so etwas sagten. Nicht wie Rand. Er weiß immer, was man Mädchen sagen muss. Ihm wurde klar, dass er finster dreinblickte, und so machte er schnell ein unbeteiligtes Gesicht. Er wollte nicht über Rand nachdenken, wollte aber ganz gewiss auch keine Aes Sedai verärgern, besonders eine, die nun ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden klopfte. »Äh … ich habe ihn nicht gestört. Er schläft immer noch. Seht Ihr?«
»Tut er das? Gut für dich. Also, was machst du hier? Ich erinnere mich, dass ich dich schon einmal hinausgejagt habe. Du brauchst nicht zu denken, dass ich das nicht mehr weiß.«
»Ich wollte nur wissen, wie es ihm geht.«
Sie zögerte. »Er schläft, und das genügt. In ein paar Stunden wird er aufstehen, und du wirst denken, es habe ihm nie etwas gefehlt.«
Als sie so zögerte, sträubten sich ihm die Nackenhaare. Irgendwie log sie. Aes Sedai logen niemals, aber sie sagten auch nicht immer die Wahrheit. Er war sich nicht sicher, was vorging – Liandrin suchte nach ihm, Leane log ihn an –, aber er glaubte, es sei an der Zeit, sich von den Aes Sedai abzusetzen. Er konnte nichts für Mat tun.
»Danke«, sagte er. »Dann lasse ich ihn wohl am besten schlafen. Entschuldigt mich.«
Er versuchte, um sie herum durch die Tür zu schlüpfen, aber plötzlich schossen ihre Hände vor und ergriffen sein Gesicht. Sie zog es schräg herunter, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Etwas schien ihn zu durchlaufen, eine warme Welle, die oben beim Kopf begann und bis zu den Füßen schwappte und dann wieder zurück. Er zog den Kopf aus der Umklammerung ihrer Hände.
»Du bist so gesund wie ein junges wildes Tier«, sagte sie und spitzte die Lippen. »Aber ich will ein Weißmantel sein, wenn du mit diesen Augen geboren wurdest!«
»Das sind die einzigen Augen, die ich jemals hatte«, grollte er. Ihm war ein bisschen kribbelig zumute, weil er in diesem Ton mit einer Aes Sedai sprach, aber er überraschte sich selbst noch mehr, als er sie sanft an den Armen packte und auf die Seite hob. Er setzte sie neben der Tür wieder ab. Als sie sich ansahen, fragte er sich, ob seine Augen genauso vor Schreck geweitet seien wie ihre. »Entschuldigt mich«, sagte er nochmals und rannte beinahe durch die Tür.
Meine Augen. Meine vom Licht verfluchten Augen! Die Morgensonne fiel auf seine Augen, und sie schimmerten wie mattes Gold.
Rand warf sich auf seinem Bett herum und versuchte, auf der dünnen Matratze eine bequemere Lage zu finden. Sonnenschein fiel durch die Schießscharten herein und färbte die kahlen Steinwände golden. Er hatte den Rest der Nacht nicht geschlafen und war sicher, so müde er sich auch fühlte, dass er auch jetzt nicht schlafen konnte. Das Lederwams lag am Fußboden zwischen seinem Bett und der Wand, aber davon abgesehen war er komplett angezogen. Sogar seine neuen Stiefel hatte er an. Sein Schwert hatte er an das Bett gelehnt, und Bogen sowie Köcher ruhten
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