Die Jagd beginnt
in einer Ecke auf den gebündelten Umhängen.
Er wurde das Gefühl nicht los, dass er die Gelegenheit, die ihm Moiraine verschafft hatte, wahrnehmen und sofort aufbrechen sollte. Diesen Drang hatte er die ganze Nacht über gespürt. Dreimal war er aufgestanden, um zu gehen. Zweimal hatte er sogar schon die Tür geöffnet. Der Flur war bis auf ein paar Diener, die ihren nächtlichen Aufgaben nachgingen, leer gewesen; der Weg frei. Aber er musste erst etwas in Erfahrung bringen.
Perrin kam mit gesenktem Kopf und gähnend herein. Rand setzte sich auf. »Wie geht es Egwene? Und Mat?«
»Sie schläft, hat man mir gesagt. Sie ließen mich nicht ins Frauenquartier, um sie zu besuchen. Mat ist …« Plötzlich blickte Perrin mit finsterem Gesicht den Boden an. »Wenn du daran so interessiert bist, warum bist du dann nicht selbst gegangen und hast ihn besucht? Ich dachte, du hättest kein Interesse mehr an uns. Das hast du selbst gesagt.« Er öffnete sein Abteil des Kleiderschranks und kramte nach einem sauberen Hemd.
»Ich war im Lazarett, Perrin. Es war eine Aes Sedai dort, die große, die immer bei der Amyrlin steckt. Sie sagte, Mat schliefe und ich sei im Weg und könne später wiederkommen. Sie klang wie Meister Thane, wenn er seine Männer in der Mühle herumkommandierte. Du weißt, wie Meister Thane ist: immer geht er gleich hoch, und man muss alles beim ersten Mal richtig machen und zwar sofort!«
Perrin antwortete nicht. Er ließ lediglich seinen Mantel fallen und zog sich das Hemd über den Kopf aus.
Rand betrachtete einen Moment lang den Rücken seines Freundes und bemühte sich dann um ein Lachen. »Willst du etwas hören? Weißt du, was sie zu mir gesagt hat? Die Aes Sedai im Lazarett meine ich. Du hast gesehen, wie groß sie ist. Genauso groß wie die meisten Männer. Eine Handbreit größer, und sie könnte mir beinahe geradewegs in die Augen schauen. Na ja, sie hat mich von oben bis unten gemustert und dann gemurmelt: ›Groß bist du. Wo warst du, als ich noch sechzehn war? Oder sogar dreißig?‹ Und dann lachte sie, als sei es ein Scherz gewesen. Was hältst du davon?«
Perrin zog ein frisches Hemd an und sah ihn von der Seite her an. Mit seinen mächtigen Schultern und dem Lockenkopf machte er auf Rand den Eindruck eines verwundeten Bären. Eines Bären, der nicht verstand, warum man ihn verwundet hatte.
»Perrin, es …«
»Wenn du dich über eine Aes Sedai lustig machen willst«, unterbrach Perrin ihn, »dann ist das deine Sache. Mein Lord.« Er stopfte sein Hemd in die Hose. »Ich verbringe nicht viel Zeit damit, mich … geistreich ist wohl der richtige Ausdruck … mich geistreich mit Aes Sedai zu unterhalten. Aber ich bin ja auch nur ein unbeholfener Hufschmied und könnte jemandem im Weg stehen. Mein Lord.« Er schnappte sich seinen Mantel vom Boden und ging in Richtung Tür.
»Beim Licht, Perrin, es tut mir Leid. Ich hatte Angst und dachte, ich sei in Schwierigkeiten – vielleicht war ich das auch und bin es noch, ich weiß es nicht –, und ich wollte dich und Mat nicht mit hineinziehen. Licht, letzte Nacht haben sämtlich Frauen nach mir gesucht. Ich denke, das ist ein Teil der Schwierigkeiten, in denen ich stecke. Ich glaube es jedenfalls. Und Liandrin … sie …« Er warf resignierend die Hände hoch. »Perrin, glaub mir, du solltest in so etwas nicht verstrickt werden.«
Perrin war stehen geblieben, aber er stand mit dem Gesicht zur Tür und drehte den Kopf nur so weit, dass Rand ein goldenes Auge sehen konnte. »Sie haben dich gesucht? Vielleicht suchten sie nach uns allen.«
»Nein, sie suchten nach mir. Ich wünschte, es wäre nicht so, aber ich weiß es besser.«
Perrin schüttelte den Kopf. »Liandrin suchte jedenfalls mich. Das weiß ich. Ich habe es gehört.«
Rand runzelte die Stirn. »Warum sollte sie …? Aber das ändert nichts. Schau mal, ich habe das Maul aufgerissen und gesagt, was ich nicht sagen sollte. Ich habe es nicht so gemeint, Perrin. Würdest du mir jetzt bitte sagen, wie es um Mat steht?«
»Er schläft. Leane – das ist die Aes Sedai – sagte, er werde in ein paar Stunden wieder auf den Beinen sein.« Er zuckte unsicher die Achseln. »Ich glaube, sie hat gelogen. Ich weiß, Aes Sedai lügen nie, jedenfalls nicht so, dass man sie dabei ertappen kann, aber sie log entweder oder hielt etwas zurück.« Er schwieg einen Moment und sah Rand von der Seite her an. »Du hast alles nicht so gemeint? Wir reisen hier zusammen ab? Du und ich und
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