Die Jagd des Adlers
einmarschieren«, warf Macro in lässigem Ton ein, hob jedoch sofort entschuldigend die Hände, als ihm die beiden anderen ärgerliche Blicke zuwarfen.
Cato räusperte sich. »Das stimmt. Aber dann würde Longinus das allerhöchste Risiko eingehen. Er wäre bereit, die östlichen Provinzen zu opfern, wenn er dadurch Kaiser werden könnte.«
»Vorausgesetzt, dass er das vorhat«, erwiderte Florianus. »Und ehrlich gesagt ist dies ein riesengroßes W enn .«
»Ja«, gab Cato zu. »Und doch handelt es sich um eine Möglichkeit, die wir ernst nehmen müssen. Narcissus jedenfalls nimmt sie ernst.«
»Entschuldige, junger Mann, aber ich arbeite nun schon viele Jahre für Narcissus. Er neigt dazu, Hirngespinsten hinterherzujagen.«
Cato zuckte mit den Schultern. »Longinus bleibt trotzdem ein Risiko.«
»Aber wie genau würde er einen solchen Aufstand anzetteln? Was meinst du? Diese Frage ist der Schlüssel zu allem. Wenn es keinen Aufstand gibt, bekommt er keine Legionen, und ohne die kann er überhaupt nichts tun.«
»Also braucht er einen Aufstand. Und ist es da nicht überaus günstig für ihn, dass es in Judäa jemanden gibt, der geschworen hat, ihm genau den zu liefern.«
»Worüber redest du?«
»Es gibt da einen Mann namens Bannus von Kanaan. Ich nehme an, dass du schon von ihm gehört hast.«
»Natürlich. Ein nicht allzu bedeutender Brigant. Lebt in den Bergen östlich des Jordans. Von dort aus überfällt er Dörfer und Reisende im Jordantal sowie das eine oder andere Landgut und ein paar der Karawanen auf dem Weg zur Dekapolis. Aber er ist keine ernsthafte Bedrohung.«
»Tatsächlich?«
»Er hat ein paar Hundert Anhänger. Leute aus den Bergen, die kaum ausreichend bewaffnet sind. Hinzu kommen einige Männer, die vor den Behörden hier in Jerusalem geflohen sind.«
»Und doch hat er laut deinen eigenen Berichten an Einfluss gewonnen. Seine Angriffe werden immer ehrgeiziger, und er behauptet, eine Art von göttlich ausgewähltem Führer zu sein.« Cato runzelte die Stirn. »Wie war das Wort noch mal?«
» Mashiah «, sagte Florianus. »Diese Bezeichnung benutzen die Leute hier. Alle paar Jahre erklärt sich irgendein Irrer zum Gesalbten, der das judäische Volk von der Herrschaft Roms befreien wird, woraufhin es aufbricht, um die ganze Welt zu erobern.«
Macro schüttelte den Kopf. »Ein verdammt unbescheidener Typ, dieser Bannus.«
»Nicht nur er. Fast alle von ihnen sind so«, erwiderte Florianus. »Sie halten sich einige Monate lang, indem sie den verzweifelten Pöbel um sich sammeln. Doch am Ende müssen wir von Caesarea aus die Kavallerie losschicken, um ein paar Köpfe unsanft gegeneinanderkrachen zu lassen und die Anführer zu kreuzigen. In kürzester Zeit schmilzt die Zahl ihrer Anhänger dahin, und wir sehen uns wieder wie üblich mit einer Handvoll antirömischer Fanatiker konfrontiert, über deren gewalttätigen Widerstand wir uns Sorgen machen müssen.«
»Das haben wir selbst erlebt«, sagte Macro. »Und ich kann dir versichern, dass diese Aktion ganz und gar nicht im Verborgenen abging.«
»Man gewöhnt sich daran.« Florianus machte eine wegwerfende Geste. »So etwas geschieht ständig. Meistens richten sie ihre Angriffe gegen ihre eigenen Leute – gegen Menschen, denen sie vorwerfen, mit Rom zu kollaborieren. Oft geht es um einen schnellen Mord auf offener Straße, doch wenn es schwierig ist, an das Ziel heranzukommen, schrecken die Sikarier auch vor Selbstmordangriffen nicht zurück.«
»Scheiße«, murmelte Macro. »Selbstmordangriffe. Was für eine Scheiße ist das denn?«
Florianus zuckte mit den Schultern. »Wenn man die Leute nur tief genug in Verzweiflung stürzt, lässt sich nicht mehr vorhersagen, zu welchen Gräueltaten sie wohl in der Lage sind. Es dauert nur ein paar Monate, und ihr werdet verstehen, was ich meine.«
»Ich will schon jetzt weg aus dieser Provinz.«
»Alles zu seiner Zeit.« Cato bedachte ihn mit einem dünnen Lächeln. »Dieser Bannus. Du hast gesagt, er operiert von der anderen Seite des Jordans aus.«
»Genau.«
»In der Nähe der Festung von Bushir?«
»Ja. Und?«
»Dort ist die Zweite Illyrische Kohorte stationiert, unter Präfekt Scrofa.«
»Ja. Was mit ihm?«
»Offiziell sind wir hier, um Scrofa abzulösen. Macro soll das Kommando der Kohorte übernehmen, und ich bin sein Stellvertreter.«
Florianus runzelte die Stirn. »Warum? Wozu soll das gut sein?«
»Präfekt Scrofa erhielt diesen Posten doch auf direkten Befehl von Longinus
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