Die Jagd des Adlers
in den aktiven Dienst zurückzukehren. Das gilt auch für Macro.«
»Gut. Das ist gut.« Narcissus nickte. »Und wo ist mein Freund, Centurio Macro?«
Cato unterdrückte ein unartikuliertes Geräusch. Die Vorstellung, dass Macro und dieser schwächliche Bürokrat befreundet sein könnten, war auf fast erhabene Weise lächerlich. Er räusperte sich. »Er hat dienstfrei. Er besucht seine Mutter in Ravenna. Sie hat ihren Verlust noch nicht überwunden.«
»Ihren Verlust?«
»Ihr Mann wurde beim letzten Angriff der Piraten getötet.«
»Oh, das tut mir leid«, erwiderte Narcissus tonlos. »Du musst ihm mein Beileid aussprechen, wenn du ihn wiedersiehst. Bevor ihr beide eure neue Aufgabe übernehmen werdet.«
Cato erstarrte einen Augenblick lang. Das peinigende Gefühl der Ausweglosigkeit stieg in ihm auf, als ihm klar wurde, dass der kaiserliche Sekretär bereits neue Pläne für ihn hatte.
»Ich verstehe nicht«, sagte er. »Ich dachte, Macro und ich sollten nur eine gewisse Zeit überbrücken, bis wir wieder einer Legion zugeteilt würden.«
»Nun, die Situation hat sich geändert. Man könnte sogar sagen, dass sich eine ganz neue Situation ergeben hat.«
»Wirklich?« Cato lächelte freudlos. »Und wie sehen die Dinge heute aus?«
»Diese Schriftrollen, die ihr gesichert habt … Ich studiere sie nun schon seit einiger Zeit sehr gründlich, und anscheinend bin ich dabei auf etwas sehr Interessantes gestoßen.« Er hielt inne. »Nein, nicht interessant. Erschreckend … Wie du dir vorstellen kannst, habe ich mich auf die Prophezeiungen konzentriert, die die unmittelbare Zukunft betreffen, und dabei habe ich etwas herausgefunden, das mich ziemlich erschüttert hat. Es heißt, die Saat zu Roms endgültigem Untergang werde eben jetzt gesät.«
»Lass mich raten. Durch eine Invasion von Steuereintreibern?«
»Du solltest nicht versuchen, witzig zu sein, Cato. Überlass das Macro. Er ist besser darin.«
»Aber er ist nicht hier.«
»Zu schade. Wenn ich jetzt fortfahren dürfte?«
Cato zuckte mit den Schultern. »Bitte, sprich weiter.«
Narcissus beugte sich vor, legte seine Handflächen aneinander und stützte sein Kinn auf, als er begann. »In den Schriftrollen gibt es einen Abschnitt, in dem steht, dass im achten Jahrhundert nach der Gründung Roms im Osten eine große Macht erscheinen wird. Es heißt, ein neues Königreich werde entstehen, das Rom völlig vernichten und auf den Ruinen seine eigene neue Hauptstadt errichten würde.«
Cato schnaubte verächtlich. »Jeder verrückte Wahrsager in den Straßen Roms sprudelt geradezu über vor Prophezeiungen dieser Art.«
»Langsam, langsam. Die Schriftrollen sind ein wenig genauer. Sie behaupten, dass das neue Reich in Judäa seinen Anfang nehmen würde.«
»Das habe ich schon Dutzende Male gehört. Es geht kaum ein Jahr vorüber, ohne dass die Judäer einen neuen großen Mann finden, der sie angeblich aus der Herrschaft Roms in die Freiheit führen wird. Und wenn sogar ich von solchen Männern gehört habe, dann hast du das ohne Zweifel auch.«
»Natürlich. Aber wie mir zu Ohren gekommen ist, gibt es da eine neue Sekte unter den Judäern. Ich lasse die Sache gerade von meinen Agenten untersuchen. Anscheinend handelt es sich dabei um die Anhänger eines Mannes, der von sich behauptet hat, eine Art Gott zu sein. Jedenfalls berichten meine Agenten, dass seine Anhänger das auch heute noch behaupten. Soweit ich weiß, soll er der Sohn irgendeines Handwerkers vom Land gewesen sein. Der Mann hieß Jehoshua.«
»Hieß? Was ist mit ihm passiert?«
»Er wurde von den Hohepriestern Jerusalems angeklagt, Unruhen zu schüren. Sie bestanden darauf, dass er zum Tode verurteilt würde, hatten aber nicht den Mumm, es selbst zu tun. Also ließ der damalige Prokurator diesen Jehoshua hinrichten. Das Problem dabei war, dass er, wie so manche dieser Propheten, ziemlich viel Charisma besaß. Genau genommen sogar so viel, dass es seinen Gefolgsleuten gelungen ist, in den Jahren nach seinem Tod viele neue Anhänger zu gewinnen. Im Gegensatz zu den meisten anderen judäischen Sekten verspricht diese hier ihren Anhängern eine Art strahlendes neues Leben, nachdem sie gestorben und ins Reich der Schatten eingegangen sind.« Narcissus lächelte. »Du verstehst sicher, wie attraktiv das sein muss.«
»Mag sein«, murmelte Cato. »Aber für mich hört sich das wie die üblichen religiösen Spinnereien an.«
»Ich bin ganz deiner Ansicht, junger Mann. Aber das hindert diese Leute
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