Die Jagd des Adlers
wimmerte Scrofa.
»Ruhe!« Macro schüttelte ihn am Hals und wandte sich wieder an Cato. »Warum glaubst du, dass dieser Wurm die Wahrheit sagt?«
»Longinus hat ihn hintergangen. Denk mal drüber nach. Longinus ist gerissen genug, um seine Spuren zu verwischen, wann immer es möglich ist. Er schickt Postumus hierher, um für Unruhe zu sorgen. Doch dann erweist sich der frühere Präfekt als ein Hindernis für Longinus’ Pläne. Also beseitigt ihn Postumus. Und dann wird Scrofa ernannt, um die Lücke zu füllen.«
»Warum gerade er?«
»Weil Longinus weiß, dass er eitel und gierig ist. Ich wette, dass Longinus Scrofa gesagt hat, er sei deshalb auf diesen Posten berufen worden, weil er ein vielversprechender Offizer ist. Und ich vermute, dass er ihn darüber hinaus ermutigt hat, hart gegen die Landbevölkerung vorzugehen, um seine Einsatzbereitschaft zu beweisen. Stimmt das?«
Scrofa nickte.
»Also taucht Scrofa hier auf, und Postumus spielt auf ihm wie auf einer Leier. Er ermutigt ihn, gegen die Leute in den Dörfern vorzugehen, verwickelt ihn in seine Erpressungsaktion gegenüber den Karawanen und ist schon bald der wahre Kommandant der Kohorte. Und wenn Longinus’ Plan nicht funktioniert, kann man am Ende alle Schuld Scrofa in die Schuhe schieben. Longinus macht Scrofa für einen möglichen Aufstand verantwortlich und beseitigt ihn, bevor man ihn nach Rom zitieren kann, um die Angelegenheit zu untersuchen. Longinus beweist allen, wie entschlossen er ist; die Judäer sehen, dass wir den Mann bestrafen, der, wie alle glauben, hinter den Schwierigkeiten in der Region steckt, und Postumus hat seinen Posten noch immer. Longinus siegt auf der ganzen Linie.« Cato schüttelte den Kopf. »Wir haben den Falschen. Unser Mann ist Postumus. Er ist Longinus’ Agent.«
Macro dachte einen Moment darüber nach. Dann ließ er Scrofa los, trat einen Schritt zurück und setzte sich wieder auf das andere Bett. Er reichte Cato den Dolch und nickte in Scrofas Richtung. »Was machen wir jetzt mit ihm?«
»Wir halten ihn weiter fest. Für den Fall, dass er als Zeuge gegen Longinus gebraucht wird.« Cato wandte sich an Scrofa. »Verstehst du, was hier vor sich geht? Man hat dich die ganze Zeit nur benutzt.«
»Nein.« Scrofa runzelte die Stirn. »Longinus ist mein Förderer. Mein Freund.«
»Ein schöner Freund!«, schnaubte Macro und sah Cato mit schiefem Grinsen an. »Oh, es ist offensichtlich, warum er diesen wunderbaren Soldaten für diesen Posten ausgewählt hat.«
»Allerdings.« Cato wandte sich an Scrofa und sagte: »Hör zu. Du weißt, dass das, was ich gesagt habe, überaus sinnvoll klingt. Du schuldest Longinus keinerlei Loyalität. Dieser Mann hat dich betrogen. Und er wird den Kaiser und Rom betrügen, wenn er die Gelegenheit dazu erhält. Du musst uns helfen.«
»Euch helfen?« Scrofa lächelte. »Warum sollte ich euch helfen? Bis ihr beide aufgetaucht seid, hatte ich alles unter Kontrolle. Doch ihr habt mir mein Kommando genommen, mich in eine Zelle geworfen und mich jetzt hier angegriffen. Warum sollte ich euch also helfen?«
»Da hat er recht«, sagte Macro.
»Er hat keine Wahl«, erwiderte Cato. »Longinus kann es sich nicht leisten, ihn am Leben zu lassen. Er weiß jetzt schon zu viel, auch wenn er das selbst noch gar nicht begreifen kann. Er hilft uns, oder er stirbt. So einfach ist das.«
Scrofa nagte an seinen Lippen und musterte Cato. »Ist das dein Ernst, was Longinus betrifft?«
»Und wie.«
Scrofa schüttelte den Kopf. »Das glaube ich einfach nicht.«
Einen Moment lang sagte niemand ein Wort, und fast gegen seinen Willen tat Macro der elende Bursche auf dem Bett gegenüber leid. Für Scrofa gab es keinen Platz in der Armee. Er war faul, korrupt, inkompetent und zu dumm, um seine eigenen Träume von Ruhm zu durchschauen. Und doch konnte er noch nützlich sein. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, einiges wiedergutzumachen. Macro stand auf.
»Komm, Cato. Wir gehen. Es gibt nichts mehr, das wir hier noch erfahren könnten.«
Gerade als die Tür sich wieder schloss, rief Scrofa den beiden nach: »Bitte, lasst mich raus aus dieser Zelle. Ich schwöre, dass ich keinen Ärger machen werde.«
Macro dachte kurz über die Bitte nach, doch dann schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid. Ich brauche die absolute Loyalität und den unbegrenzten Gehorsam der Männer. Wenn sie sehen, wie du in der Festung herumspazierst, würde das die Lage nur verwirren. Du musst hier bleiben. Aus den Augen, aus dem
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