Die Jagd des Adlers
weil ich eine Provinz zu führen habe, würde ich die Situation hier gerne klären, damit ich wieder zurückkehren und mich meinen eigentlichen Aufgaben widmen kann.«
»Da bin ich mir sicher, Herr.«
»Ich hoffe, dass da in deinem Ton keine Unverschämtheit war.«
»Gewiss nicht, Herr. Aber so bin ich nun mal. Ich war viel zu lange einfacher Soldat.«
Longinus musterte ihn eindringlich. »Versuch nicht, dich über mich lustig zu machen. Das werde ich nicht zulassen … Wie ich höre, besitzt du ein gewisses Dokument. Ein Dokument, von dem du behauptest, es erlaube dir, den Präfekten, den ich berufen habe, abzusetzen und selbst den Posten an seiner Stelle zu übernehmen.«
»Das ist richtig, Herr.«
»In diesem Fall würde ich es gerne sehen.«
»Natürlich, Herr.« Macro deutete auf eine kleine Truhe neben dem Schreibtisch. »Darf ich?«
»Bitte.« Longinus lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, als Macro vortrat, den Deckel der Truhe anhob und die Ledertasche herausnahm, in der die Schriftrolle zum Schutz untergebracht worden war. Er schlug die Abdeckung zurück, zog das Dokument heraus und legte es vor Longinus auf den Schreibtisch. Der Statthalter hob das Pergament lässig auf, entrollte es und überflog den Inhalt. Dann legte er es auf den Tisch zurück.
»Nun, Centurio Macro und Centurio Cato, eure Vollmacht ist makellos. Das Dokument scheint echt zu sein, woraus folgt, dass ihr jedes Recht hattet, so zu handeln, wie ihr das getan habt.«
Postumus, der die Ereignisse bisher mit recht selbstgefälliger Miene verfolgt hatte, zuckte zusammen und drückte sich vom Fensterrahmen weg.
»Herr, ich protestiere! Du bist der Statthalter von Syrien. Der Kaiser selbst hat dich eingesetzt. Die beiden haben sich in flagranter Weise der Autorität deines Amtes widersetzt.«
Longinus tippte auf die Schriftrolle. »Laut diesem Dokument reichen ihre Befugnisse weiter als meine. Deshalb haben sie rechtmäßig gehandelt, und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du von nun an einfach die Klappe halten und dich erst wieder zu Wort melden würdest, wenn man dich anspricht, Centurio Postumus.«
Postumus öffnete den Mund, um zu widersprechen, besann sich aber eines Besseren und schloss ihn wieder. Dann nickte er und ging verlegen zum Fensterrahmen zurück.
»So ist es schon besser.« Longinus lächelte. »Nun, Centurio Macro und Centurio Cato, dadurch haben wir eine einigermaßen ungewöhnliche Situation vor uns. Es ist nicht üblich, dass Offiziere eures Ranges plötzlich in einer entlegenen Provinz auftauchen und dabei die Erlaubnis des Kaisers, gänzlich nach eigenem Ermessen zu handeln, aus dem Ärmel ziehen. Deshalb wäre ich euch dankbar, wenn ihr mir erklären könntet, was hier eigentlich vor sich geht.«
Macro drehte sich zu Cato um und hob eine Augenbraue. Die Lage war einigermaßen kompliziert. Sie beide waren von Rom geschickt worden, um in aller Stille zu untersuchen, wie es um den Statthalter von Syrien stand, doch seit ihrer Ankunft in Jerusalem wurde ihre Mission von Pech verfolgt. Wenn Macro den ursprünglichen Befehl zu seiner Ernennung nicht verloren hätte, hätte sich die gegenwärtige Situation vermeiden lassen. Stattdessen waren sie gezwungen gewesen, das Dokument des kaiserlichen Sekretärs zu benutzen und zu enthüllen, dass sie auf direkten Befehl von Kaiser Claudius handelten. Cato begriff, dass sie beide nichts gewinnen konnten, wenn sie die Wahrheit leugneten.
»Herr«, sagte er leise zu Macro, »ich denke, es wäre besser, wenn wir alles offenlegen.«
»Was?« Macro gefiel der Vorschlag überhaupt nicht. Sollte er tatsächlich die Wahrheit sagen und einem der mächtigsten Vertreter des römischen Reichs mitteilen, dass der Kaiser ihn für einen Verräter hielt? »Bist du verrückt?«
»Centurio Macro«, unterbrach Longinus die beiden und setzte eine Miene unechter Verlegenheit auf. »Verzeihung. Präfekt . Ich glaube, es wäre das Beste, wenn wir uns offen unterhalten. Es gibt nichts mehr zu verstecken. Meiner Meinung nach solltet ihr damit anfangen, mir zu erklären, was ihr hier in Judäa eigentlich genau macht.«
Macro schluckte. »Nun gut, Herr. Wenn du willst, dass wir so direkt sind. Narcissus hat die Information erhalten, dass du planst, im Osten einen Aufstand anzuzetteln, damit du Verstärkung für deine Armee anfordern kannst. Dieselbe Quelle hat ihm berichtet, dass du die Absicht hättest, mithilfe dieser vergrößerten Armee Claudius abzusetzen, um den kaiserlichen Purpur für
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