Die Jagd des Adlers
Ausschau gehalten hätten. Das Verlangen, ihr Imperium immer weiter auszudehnen, ist unstillbar. Erst wenn die Völker, die noch nicht unter dem römischen Joch schmachten, begreifen, dass sie allesamt in ein und derselben Gefahr schweben, werden wir uns von der römischen Tyrannei befreien können. Wenn du mich ihnen übergibst, dann verrätst du all jene, die sich Rom widersetzen – und darüber hinaus auch diejenigen, die sich zu gegebener Zeit Rom widersetzen sollten .«
»Womit du natürlich das Königreich Nabatäa meinst.«
»Allerdings.«
Die Begleiter des Kammerherrn sahen einander voller Unbehagen an, doch ihr Herr wandte den Blick nicht von dem Judäer ab, während er über dessen Worte nachdachte. Schließlich drehte er sich stirnrunzelnd zu Macro und Cato um. »Wer spricht für euch?«
Macro sagte leise zu Cato: »Ich kann mit seinem Griechisch nicht Schritt halten. Du wirst für uns sprechen müssen. Aber sei vorsichtig, ich warne dich. Immer geradeheraus. Versuch nicht, den Überschlauen zu spielen. Wir wollen Bannus, den Jungen und das Kästchen dieser Frau – das ist schon alles.« Er wandte sich dem Kammerherrn zu. »Mein Gefährte, Centurio Cato, wird für uns sprechen.«
Cato zischte: »Bist du dir sicher, Macro?«
»Sicher genug. Mach schon.«
Der Kammerherr fixierte Cato mit festem Blick. »Ist das wahr? Hat Rom die Absicht, unser Reich zu annektieren?«
Cato fühlte das rasende Hämmern seines Herzens in seiner Brust. Einen Moment lang war er so eingeschüchtert, dass er nicht reagieren konnte. Obwohl er sich auf einer Mission befand, die ihm von Narcissus, dem Stabschef des Kaisers, aufgetragen worden war, war er nur ein noch recht junger Offizier. Er konnte Bannus’ Anklage nicht einfach bestreiten, denn dazu kannte er die Ziele der kaiserlichen Politik nicht gut genug.
»Herr«, begann er zögernd. »Ich bin nur ein Soldat. Ich habe keine Ahnung, welche Pläne meine Vorgesetzten in Rom in dieser Region verfolgen. Ich weiß nur, dass Judäa eine römische Provinz ist, in der römische Gesetze gelten, und dass dieser Mann, Bannus, ein Brigant und ein Geächteter ist, der versucht hat, einen Aufstand gegen uns anzuzetteln. Deshalb ist er ein ganz gewöhnlicher Krimineller, und mein Präfekt und ich wünschen uns nichts weiter als die Möglichkeit, ihn der Gerechtigkeit zuzuführen.«
»Gerechtigkeit!« Bannus stieß ein bitteres Lachen aus. »Welche Gerechtigkeit werde ich finden, wenn ich Rom in die Hände falle? Ihr werdet mich bei der ersten Gelegenheit ans Kreuz nageln, genauso, wie ihr das mit Jehoshua getan habt und mit all den anderen, die den Widerstand gegen Rom angeführt haben.«
Cato antwortete nicht auf diesen Vorwurf, denn er entsprach der Wahrheit. Stattdessen versuchte er, seine Strategie zu wechseln. »Wie ich schon sagte: Ich kenne die Pläne nicht, die der Kaiser für unser Imperium verfolgt, aber eines weiß ich. Wenn ein Königreich einem Feind Roms – wie etwa Bannus – Zuflucht oder irgendeine andere Form von Unterstützung gewährt, dann, so bin ich mir sicher, wäre der Kaiser diesem Reich in Zukunft nicht besonders wohlgesonnen. Besonders, weil jemand wie Bannus eine ständige Bedrohung der Stabilität der römischen Provinz Judäa darstellen würde, solange es ihm gestattet ist, unmittelbar an der Grenze zu dieser Provinz zu leben.«
Der Kammerherr war sich der Bedeutung der letzten Worte Catos durchaus bewusst. Er nickte und verschränkte die Hände, während er über die Situation nachdachte. Bannus sah ihn an und gab sich große Mühe, seine Verzweiflung zu verbergen.
»Bevor du dich dazu entschließt, mich diesem römischen Abschaum auszuliefern, muss ich dir sagen, dass ich kein Brigant und kein Gesetzloser bin. Ich habe mit dem Partherreich einen Pakt geschlossen. Deshalb dient einer ihrer Prinzen unter meinem Kommando.«
»Unsinn!«, platzte Macro heraus, und das Wort hallte laut im Saal wider. Cato zuckte zusammen, als sein Freund mit dem Finger auf Bannus zeigte und wütend fortfuhr: »Wie kannst du mit den Parthern einen Pakt schließen? Du bist nichts als ein gewöhnlicher Krimineller.«
»Ich bin kein Krimineller«, erwiderte Bannus. Seine Stimme hatte plötzlich einen ruhigeren, fast gelassenen Ton angenommen. »Ich bin der rechtmäßig gesalbte König meines Volkes. Ich bin der mashiah .«
»Blasphemie!«, rief Symeon. »Wie kannst du es wagen!«
Er ging mehrere Schritte auf Bannus zu, bevor der Kammerherr den Wachen eilends ein
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