Die Jagd des Adlers
Rechtsprechung kümmerte. Doch diesmal hatten die einfachen Leute diejenigen durchschaut, die behaupteten, ihre natürlichen Führer zu sein. Deshalb war Judäa zu einem Dorn im Fleisch des Imperiums geworden. Man konnte nicht zulassen, dass die Judäer im Rahmen römischer Vorgaben die Provinz selbst verwalteten, weil ihre Religion ihnen das nicht erlaubte. Also musste Rom eingreifen, um die Herrschaft des Reiches zu sichern. Unglücklicherweise waren die Eingriffe so umfangreich, dass die Kosten, die Judäa verursachte, die Steuereinnahmen aus der Provinz bei Weitem überstiegen – es sei denn, man wollte den Leuten auch noch die allerletzte Münze abpressen, was dann jedoch früher oder später zu einem Aufstand führen würde. Dann wären noch mehr Soldaten erforderlich, um die Ordnung wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Noch mehr Steuern wären vonnöten, um die erweiterten Garnisonen zu bezahlen, mit denen man die Jüdäer auf Linie brachte, und so würde sich der Teufelskreis aus Rebellion und Unterdrückung endlos fortsetzen. Deshalb konnte es niemanden überraschen, dass Centurio Parmenion nach Jahren des Dienstes in dieser Provinz so erschöpft und abgekämpft war.
Wie ein Blitz traf Cato die Einsicht, dass diese Erschöpfung auch der Grund dafür gewesen war, warum Parmenion sich bereit erklärt hatte, Canthus dem Mob zu überlassen. Der Soldat hatte für heftige Empörung unter den Dorfbewohnern gesorgt, sodass Parmenion vor einer harten Entscheidung stand. Wenn er versucht hätte, den Mann zu verteidigen und die Beleidigung zu ignorieren oder ihn zu schützen, hätte er einen Aufstand provoziert und die Spannungen, die Judäa bereits jetzt schon zu zerreißen drohten, nur noch mehr verstärkt. Canthus’ Tod war eine Botschaft, die sich gleichermaßen an Römer und Judäer richtete; sie besagte, dass niemand über dem Gesetz stand. Erst wenn dieses Prinzip überall gelten würde, wäre eine gewisse Annäherung zwischen Rom und Judäa möglich.
Macro beobachtete Cato aufmerksam. »Werd mir jetzt bloß nicht weich, mein Junge. Was immer du auch in unserer Lage für Recht oder Unrecht hältst – wir haben eine Mission zu erfüllen. Wahrscheinlich die schwierigste, die man uns jemals aufgetragen hat. Ich kann es mir nicht leisten, dass du darüber nachdenkst, wohin das alles wohl noch führen mag. Konzentrier dich ausschließlich auf das, was wir tun müssen. Über alles andere kannst du dir später Sorgen machen. Nämlich dann, wenn es sicher ist, über diese Dinge nachzugrübeln.« Er kicherte leise. »Falls du dann noch am Leben bist.«
Cato lächelte. »Ich werde es versuchen.«
»Gut. Ich werde mich viel besser fühlen, wenn ich weiß, dass du die Dinge in der Festung im Auge behältst, solange ich weg bin.«
»Ist das wirklich notwendig?«
»In dieser Region brauchen wir alle Freunde, die wir kriegen können. Wenn mein Plan funktioniert, bringt uns das schon ein ganzes Stück weiter auf dem Weg, unsere Beziehungen zu den Nabatäern zu verbessern. Dieser Bastard Scrofa wird einiges zu erklären haben.«
»Ja«, erwiderte Cato leise. »Bist du sicher, dass ich hier bleiben soll?«
»Absolut. Die meisten Offiziere sind gute Leute, aber wir haben selbst erlebt, wie leicht man sie vom rechten Weg abbringen kann. Einigen von ihnen traue ich immer noch nicht. Man darf sie nicht aus den Augen lassen. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, wäre ein Putsch, der Scrofa wieder in seinen alten Rang einsetzt. Das wäre eine verdammte Katastrophe. Deshalb musst du hier bleiben, Cato. Außerdem habe ich immer gedacht, dass du ganz froh sein würdest, wenn du einmal das Kommando über eine eigene Kohorte hast.«
»Es ist eine große Verantwortung, und wenn ich an die fragwürdige Loyalität einiger Männer denke, dann wäre ich lieber draußen im Feld.«
»Da bin ich mir sicher.« Macros Miene wurde ernst. »Aber diesmal nicht, Cato. Du wirst hier die Verantwortung übernehmen. Du weißt, auf wen du dich verlassen kannst. Mag sein, es ist nicht immer ganz einfach mit Parmenion, aber er ist ein zäher alter Knabe und auf eine erfrischende Weise geradeheraus. Wenn mir irgendetwas zustößt, musst du dich um Bannus kümmern. Zieh bloß nicht kreuz und quer durch die Wüste, nur weil du jemandem aus Rache den Arsch aufreißen willst. Verstanden?«
»Ja, Herr, ich habe verstanden. Ich weiß, was getan werden muss. Aber du solltest darauf achten, dass du keine unnötigen Risiken eingehst.«
»Ich?« Macro
Weitere Kostenlose Bücher