Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
echten Brüste, sonst hätte er sie mir glatt zerquetscht. »Ach Scheiße«, sagte er, als er bemerkte, dass er nur Taschentücher in der Hand hielt. »Was ist mit meiner Traumfrau passiert?«
»Die wartet in Indio auf uns«, sagte ich. »Und wir werden sie verpassen, wenn wir nicht bald unsere Ärsche hochkriegen. Also, lass mich runter.«
Die ganze Fahrt über alberte er herum, versuchte, mit mir zu flirten und die Hand unter meinen Rock zu schieben. Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich nur Spaß gemacht hat. Vielleicht wünschte er sich insgeheim, dass ich mich wirklich in die Frau verwandelte, die ich darstellen wollte. Das ist, wie wenn man sich einen Film ansieht, den man schon kennt, und vergeblich darauf hofft, dass er ein anderes Ende nimmt. Wenn man sich es lange genug einredet, kann man sich fast davon überzeugen, dass der Film ein anderes Ende hat. So etwas Ähnliches muss auch in Ranch vorgegangen sein. Er hatte sich selbst wohl eingeredet, dass ich plötzlich eine Frau geworden war.
Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass ihn das angemacht hat.
Schon irre, was Frauen für eine Macht auf Männer ausüben können.
Mehr als einmal musste ich ihn zurechtweisen oder ihm sogar auf die Pfoten klopfen.
Dusty saß auf dem Rücksitz und verbrachte die meiste Zeit damit, aus dem Fenster zu sehen. Er kriegte von Ranchs Anwandlungen nichts mit. Vielleicht interessierte es ihn auch einfach nicht. Dusty verstand keinen Spaß. Er nahm jede Kleinigkeit todernst. Noch dazu war er völlig paranoid.
Er war so einer von diesen Weltuntergangsspinnern. Er rechnete damit, dass die Welt – oder zumindest unsere Zivilisation – bald zugrunde gehen würde. Und zwar sehr bald – nächste Woche oder so. Und darauf bereitete er sich vor.
Er besaß sogar irgendwo einen Bunker. Er hatte uns oft davon erzählt, aber nie verraten, wo sich dieser Bunker befand. Auf jeden Fall wollte er da drin den Atomkrieg überleben.
Er konnte den Atomkrieg kaum erwarten.
Seiner Meinung nach konnte es jeden Augenblick so weit sein. Ich weiß noch, wie tief enttäuscht er gewesen war, als die Sowjetunion in sich zusammenbrach.
Das war großes Pech für den armen Dusty!
Wahrscheinlich würde er nie einen Atompilz zu Gesicht bekommen. Er war am Boden zerstört.
Doch als dann letztes Jahr die Rodney-King-Unruhen in L. A. ausbrachen, schöpfte er wieder Hoffnung. Ein Bürgerkrieg war fast so gut wie ein Atomschlag.
Er träumte davon, mit kugelsicherer Weste, Helm, Tarnklamotten und bis an die Zähne bewaffnet Horden von Angreifern niederzumähen, die seinen Bunker stürmen wollten.
Er lachte nur, wenn er gerade jemanden umbrachte. Sonst nie.
Dusty war ein armer Irrer, konnte jedoch sehr gut mit seinem Gewehr umgehen, das neben ihm auf dem Sitz lag.
Aber wo war ich stehen geblieben?
Die Tankstelle. Richtig. Während ich auftankte, starrten mich ein paar Kerle an, aber niemand kam mir zu nahe. Wahrscheinlich, weil Ranch und Dusty im Auto saßen.
Ich war nervös, weil wir so spät dran waren.
Vielleicht hätte ich mich nicht umziehen oder zumindest auf das Pflaster verzichten sollen oder …
Egal. Was geschehen ist, kann man nicht mehr ändern.
Alles, was zählt, ist, die gegenwärtige Situation in den Griff zu bekommen.
Es lief folgendermaßen ab: Ich hatte Ranch und Dusty erzählt, dass ich wusste, wo Jody sich aufhielt: in Indio. Doch das Motel oder den blauen Ford hatte ich mit keinem Wort erwähnt. Was schlau war, obwohl ich es gar nicht so beabsichtigt hatte.
Zuerst wollte ich die beiden ja gar nicht in die Falle locken.
Aber ich hätte ihnen unmöglich eingestehen können, dass wir Jody verpasst hatten. Ranch hätte es vielleicht noch eingesehen, aber Dusty wäre wohl ausgeflippt. Er ist ziemlich temperamentvoll, und ich hatte Angst, dass er mir den Kopf abreißen würde.
Als der Tank voll war, ging ich zur Tankstelle hinüber, um zu bezahlen.
In L. A. muss man ja vor dem Tanken bezahlen, weil es dort so viele Arschlöcher gibt, die sich einfach aus dem Staub machen, wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet. Erst in Ruhe tanken und dann bezahlen – das nenne ich Zivilisation.
Ich stieg wieder ein. »Fahren wir.«
Ich wies Ranch den Weg. Als hätte ich gewusst, wo ich überhaupt hinwollte.
Ab und zu fragte er, wo wir eigentlich hinfuhren. »Wirst du schon sehen«, sagte ich, als wäre unser Ziel streng geheim.
War es ja auch irgendwie. Selbst ich kannte es nicht.
Dusty sah schweigend aus dem Fenster.
Wir fuhren
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