Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
entschied sich gegen jedes Lokal, das einigermaßen normal aussah.
»Ach, wie langweilig«, sagte sie, »Wie gewöhnlich« oder »Das hat ja kein bisschen Atmosphäre.«
»Das ist alles so eintönig«, pflichtete Dad ihr jedes Mal bei. »Morgen haben wir es wieder vergessen.«
»Wir werden noch verhungern«, sagte Andy.
»Keine Angst«, meinte Jody. »Früher oder später werden sie einen dunklen, versifften Schuppen mit einer Menge Atmosphäre ausfindig machen.«
Doch dann war es Jody, die genau diesen Schuppen entdeckte.
»Goldrichtig.«
Der Laden hieß Kactus Kate’s .
»Gut aufgepasst«, sagte Dad. Ein Kompliment, das er normalerweise nur dann anbrachte, wenn sie beim Baseball einen ungünstigen Wurf passieren ließ.
»Guckt euch das mal an«, sagte Sharon.
Über dem Café war ein etwa zwei Meter großes Holzschild angebracht, auf dem ein Saguaro-Kaktus abgebildet war. Er erinnerte an einen dünnen grünen Mann mit erhobenen Armen. Zum Glück war ihm noch kein Gesicht aufgemalt worden. Dafür trug er einen Sombrero schief auf dem Kopf. Das Schild war anscheinend aus Sperrholz gesägt worden und hätte dringend einen neuen Anstrich benötigt.
Dad hielt vor Kactus Kate’s an.
»Wollen wir wirklich da drin frühstücken?«, fragte Andy.
Jody nickte. »Ich wette, jetzt wärst du lieber wieder auf dem Dach der Tankstelle.«
»Wenn es wirklich so schlimm ist«, sagte Dad, »dann fahren wir einfach woandershin.«
»Da würde ich mir keine großen Hoffnungen machen«, sagte Jody. »Es ist nämlich nie so schlimm .«
Ihr Vater zog den Zündschlüssel ab.
»Vielleicht sollten wir es uns noch mal überlegen«, sagte Sharon und runzelte die Stirn. »Wenn die beiden da nicht reingehen wollen …«
»Jody beschwert sich nur gerne. Aber eigentlich gefallen ihr diese Schuppen ganz gut. Stimmt doch, oder?«
Sharon sah sich zu ihr um.
»Ja, manchmal sind sie ganz interessant«, gab Jody zu. »Aber das ist ein Loch im Kopf auch.«
»Was ist mit dir?«, fragte Sharon.
»Keine Ahnung«, antwortete Andy. »Wir haben immer nur bei McDonald’s oder Burger King gegessen.«
»Bist du bereit, mal was Neues auszuprobieren?«
»Klar, wieso nicht?«
»Hey«, sagte Jody. »Was soll schon passieren?«
»Das ist die richtige Einstellung«, sagte Sharon. »Also los.«
Kactus Kate’s erinnerte an ein Wildwestmuseum. An den Wänden hingen Wagenräder, rostige Laternen, Brandeisen, Gemälde von kargen Wüsten- und Felslandschaften sowie gerahmte Fotos von Berühmtheiten wie Jesse James, Sitting Bull, Geronimo, General Custer, Buffalo Bill, der Dalton-Bande und natürlich von Dads Lieblingsrevolverheld, James Butler Hickok.
Dad bekam leuchtende Augen.
Sharon war begeistert, als sie erfuhr, dass der Frühstücksburrito mit Ei und Chorizo gefüllt war.
Andy las die Speisekarte. »Cool«, rief er, als er den French Toast aus mit Zimt bestreutem Rosinenbrot entdeckte.
Jody fand, dass die Kellnerin das Beste am ganzen Laden war. Sie war blond, Mitte zwanzig, über eins achtzig groß und kaute auf einem Kaugummi, als sie zu ihrem Tisch stolziert kam.
Laut dem Plastikschild über ihrer linken Brust hieß sie Bess.
Bess ist doch mal wirklich passend, dachte sie.
Sie trug Cowboystiefel aus Schlangenleder, die ihr bis fast zu den Knien reichten, knallenge Jeans und einen Gürtel mit einer riesigen Messingschnalle in Form eines springenden Pferdes. Ihr rosa T-Shirt war mit einem weißen Saum geschmückt, und auf ihrem linken Oberarm war die Tätowierung eines gebrochenen Herzens mit der Aufschrift »Das ganze Leben ist ein Rodeo« zu sehen. Von ihren Ohren baumelten kleine silberne Tomahawks.
Nachdem Bess ihnen Kaffee und heiße Schokolade serviert hatte, wartete Sharon, bis sie außer Hörweite war. »Scharfes Outfit«, sagte sie.
»Das würde dir auch gut stehen«, sagte Dad. »Bis auf das Tattoo natürlich.«
»Zu spät.«
Andy beugte sich vor. » Wo sind Sie denn tätowiert?«
Sharon grinste. »Das wirst du niemals rausfinden, Kleiner. «
»Wo?«, bohrte Andy nach.
»Das geht dich gar nichts an. Trink deinen Kakao.«
Andy und Jody arbeiteten sich langsam durch einen Berg Schlagsahne zur heißen Schokolade vor.
Bess kam zurück, um ihre Bestellungen aufzunehmen, und legte eine Hand auf Andys Schulter. »Was darf’s denn sein, Romeo?«
Er wurde rot. Entweder weil sie ihn berührt oder weil sie ihn Romeo genannt hatte.
Weshalb hatte sie das zu ihm gesagt? Wollte sie sich über ihn lustig machen?
Andy
Weitere Kostenlose Bücher