Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
beobachtete mich. Keine neugierigen Nachbarn, keine Bullen, niemand.
Dann kam mir der schreckliche Gedanke, dass Ranch die Autoschlüssel im Wagen eingesperrt haben konnte. Das war ihm schon öfter passiert. Einmal war er sogar liegen geblieben, weil ihm das Benzin ausgegangen war. Ich fragte ihn damals, ob er gerade auf dem Klo gewesen war, als der liebe Gott die Gehirne verteilt hatte. Dumm war er ja eigentlich nicht. Nur geistesabwesend.
Jetzt ist er dauerhaft abwesend. Und das nicht nur geistig.
Wie sich herausstellte, hatte er tatsächlich die Schlüssel stecken lassen. Der Wagen war zum Glück offen.
Ich setzte mich hinters Steuer und legte die Handtasche auf den Beifahrersitz. Da ich Ranchs Polster nicht ruinieren wollte, stellte ich die fettige Papiertüte auf den Boden.
Dann fuhr ich los.
Dank der Klimaanlage war es im Wagen angenehm kühl. Als ich ein paar hundert Meter gefahren war, sah ich einen zerzausten grauen Köter am Straßenrand. Normalerweise hätte ich ihn sofort überfahren, doch ich drückte ein Auge zu, hielt neben ihm an und warf ihm die Tüte hin.
Im Rückspiegel sah ich, wie der Hund seine Schnauze darin vergrub.
Das war wohl sein Glückstag.
Nachdem ich alle Beweise vernichtet hatte, machte ich mich wieder auf die Suche nach einer Jody-Doppelgängerin, bis mir einfiel, dass ich ja gar keine mehr brauchte.
Ranch und Dusty waren tot, und das änderte die Situation grundlegend.
Die gute Nachricht ist, dass niemand mehr bei Tom ist, der weiß, wie Jody wirklich aussieht. Sollte ich doch den Doppelgängertrick zum Einsatz bringen? Mitch und Chuck waren ihr schon ziemlich nahe gekommen, aber es war dunkel gewesen, und sie hatten eigentlich nur ihren Rücken gesehen. Ohne Dusty konnte ich die Jungs leicht übers Ohr hauen.
Die schlechte Nachricht ist: Ich bin im Arsch. Mit viel Glück könnte es mir gelingen, Lisa gegen das Double auszutauschen. Aber früher oder später würde die Wahrheit ans Licht kommen. Dann konnten sie sich ausrechnen, dass ich Ranch und Dusty getötet habe, und würden mir die Hölle heißmachen.
Sie würden mich jagen und zur Strecke bringen, das war unvermeidlich.
Es sei denn, ich erwischte sie zuerst.
Oh Mann.
Ich stellte mir vor, wie ich mit einer Knarre in jeder Hand in Toms Haus stürmte.
Das war glatter Selbstmord.
Vergiss es.
Hmmmm. Das Überraschungsmoment ist auf meiner Seite … und mit Henry, Dusty und Ranch war ich ja auch spielend fertig geworden.
Gegen wen würde ich antreten müssen?
Zunächst einmal gegen Tom selbst. Sie hatten sich wahrscheinlich in seiner Garage verrammelt. Dort haben wir in den letzten Jahren die Leichen versteckt, und höchstwahrscheinlich hielten sie auch Lisa dort fest.
Wie ich Tom und die Jungs so kenne, haben sie sie bestimmt an den Händen gefesselt und an einen Balken gehängt. Komische Vorstellung, dass ausgerechnet Lisa das passiert. Ich habe keine Ahnung, was sie in der Zwischenzeit alles mit ihr angestellt haben. Am Telefon hatte sie ziemlich wütend geklungen, also war es wohl noch nicht so schlimm gewesen.
Inzwischen hatten sie bestimmt angefangen, sie zu foltern.
Das macht mich stinksauer.
Als hätten sie meinen Wagen gestohlen und gegen eine Wand gesetzt, versteht ihr?
Meine sogenannten Freunde.
Wahre Freunde tun so etwas nicht.
Jedenfalls nicht mit Lisa. Und schon gar nicht ohne meine Erlaubnis.
Schließlich haben sie es ja nicht auf Lisa, sondern auf mich abgesehen.
Wahrscheinlich warten sie nur darauf, dass ich das Ultimatum nicht einhalte. Dann können sie mit ihr tun, was sie wollen. Lisa ist zugegebenermaßen nicht die Hellste, aber sie hat einen tollen Körper.
Zumindest bis sie über sie herfallen.
Hoffentlich sind sie nicht auf die Idee gekommen, ihr irgendwelche Körperteile abzuschneiden.
Ich muss die Jungs so schnell wie möglich erledigen.
Das ist gar nicht so unmöglich, wie es sich anhört.
Tom wird da sein. Mitch und Chuck auch. Und Hering – ach nein, der ist ja tot. Jody hat ihm den Schädel mit dem Baseballschläger eingeschlagen. Behauptet Tom zumindest.
Ob er da auch die Wahrheit sagt?
Aber warum sollte er mich anlügen? Vielleicht, damit mich Hering überraschen kann … verflucht, ich hätte mich bei Ranch nach ihm erkundigen sollen. Andererseits – Freitagnacht ist Hering losgezogen, um nach weiteren Opfern zu suchen, und nicht mehr zurückgekommen. Er muss tot sein.
Also wären da noch Tom, Mitch, Chuck, Clement Calhoun und … ja, und sonst?
Mein Gott!
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