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Die Jagd nach Millionen

Titel: Die Jagd nach Millionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Murray
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Leben im Ruhestand war von einer seltenen
Regelmäßigkeit. Jeden Morgen stand er Punkt sieben
Uhr auf und höchst eigenhändig wichste er seine
Stiefel mit großer Sorgfalt und unter leisem, nachdenklichem
Pfeifen. Wenn Frau Perks, die sehr feinhörig war, dieses
Pfeifen vernahm, so brauchte sie gar nicht mehr nach der Uhr zu sehen,
sie wußte genau, welche Zeit es war. Nach Erledigung dieses
ersten Tagewerks wusch und rasierte sich Prickett aufs
sorgfältigste und Punkt acht Uhr pflegte er sich zum
Frühstück niederzulassen, wobei er dann die
Polizeiberichte vom vorigen Tag gewissenhaft durch alle Zeitungen
verfolgte. Um neun Uhr verließ er das Haus, und das Ziel
seiner Spaziergänge war in der Regel sein einstiges Jagdrevier
im Westend. Gerade wie der Schauspieler, der einen Abend frei hat, fast
unfehlbar ins Theater geht, so zog es den vom Dienst befreiten
Polizeiinspektor in die einstigen Jagdgründe. Wurde irgend ein
interessanter Fall verhandelt, so hatte Prickett seinen bestimmten
Platz im Gerichtssaal inne und mit den Berufsgenossen hatte er beinahe
ebensoviel Verkehr und Fühlung, als ob er noch in
Thätigkeit gewesen wäre. Der Umstand, daß er
jetzt wieder jemand zu bewachen und sich vor jemand zu hüten
hatte, bereicherte sein Leben ungemein.
    Natürlich war er ja viel zu argwöhnisch und
behutsam, um irgend etwas »gewiß« zu wissen,
ehe es vollständig bewiesen war. Die Advokatenliste wies
keinen Bletchley Baker, das Predigerbuch keinen Pastor Tolemy auf, aber
die Thatsache, daß die Gewährsmänner der
hübschen Witwe Phantasiegeschöpfe waren, lieferte
noch keinen unumstößlichen Beweis, daß sie
selbst im Sold des Generals stand, reichte aber vollständig
aus, sie für Prickett höchst interessant zu machen,
und so war er denn sehr erfreut, sie am dritten Tage nach der ersten
Begegnung mit seinem Frühstückstisch
beschäftigt vorzufinden.
    In Pantoffeln, einem sauberen, beinahe koketten Morgenjackett
und mit einem blank gewichsten Stiefel in jeder Hand trat er ein,
grüßte die junge Dame dann freundlich und stellte
seine Fußbekleidung vor den Kamin, jeden Stiefel genau in die
eine Ecke des Vorsetzers.
    »Guten Morgen, Frau Harcourt,« sagte er
aufgeräumter, als sonst seine Art war. »Ich hatte
nicht erwartet, Sie so bald schon in Thätigkeit zu
sehen.«
    Frau Harcourt sah bleich und ein wenig angegriffen aus; ihre
Hände zitterten merklich, ja derart, daß sie das
Salzfäßchen umstieß, dessen Inhalt sich auf
das Tischtuch ergoß.
    »Du liebe Zeit, das ist ja ein übler
Anfang,« bemerkte Prickett. »Soll Unheil bedeuten,
aber Sie wissen ja wohl, wie man dem vorbeugt? Nehmen Sie eine Prise
Salz zwischen Daumen und Zeigefinger und werfen Sie es über
die linke Schulter hinter sich!«
    Die Witwe führte die Anweisung ernsthaft aus, wobei
er ihr lächelnd zusah. Sein Blick versetzte sie in peinliche
Verlegenheit, und da es vorderhand nicht in seinem Plan lag, sie
einzuschüchtern, griff er nach einer Zeitung und that, als ob
er sie nicht weiter beobachte.
    »Hatten Sie von Anfang an im Sinn, so bald ins Haus
zu ziehen, Frau Harcourt?« fragte er nach einer Weile so
beiläufig.
    »Frau Perks meinte, es wäre gut, wenn ich
mich zeitig mit Ihren Gewohnheiten vertraut machte, Herr
Prickett,« lautete die Antwort.
    »Die gute Seele!« versetzte Prickett.
»Ich bin wirklich einer der genügsamsten und
leichtest zu behandelnden Menschen! Nur eine Schwäche habe
ich, falls man das nämlich Schwäche nennen will
– ich liebe es, auf die Minute bedient zu werden. Wenn ich
mich aber vom Standpunkt der Wirtin aus als Mieter beurteile, darf ich
wirklich sagen, daß Pünktlichkeit mein einziges
Laster ist. Darin allerdings kann man mich vielleicht anspruchsvoll
finden.«
    »Ich werde mir alle Mühe geben, Sie darin
und in allen andern Punkten zufriedenzustellen, Herr Prickett.«
    »Eine dreimonatliche Lehrzeit wird es wirklich nicht
kosten, mich zufrieden zu stellen!« sagte Prickett herzlich
lachend.
    Seine fröhliche Laune wirkte aber nicht befreiend auf
das Gemüt der jungen Witwe, sie war und blieb nervös,
und so große Gewalt sie sich auch anthat, um ruhig zu
erscheinen, hob und senkte sich die Brust doch stürmisch.
    »Sie haben doch nichts dagegen einzuwenden,
daß ich hier bin, Herr Prickett?« fragte sie mit
mühsam beherrschter Stimme.
    »Einzuwenden? Ich? Wie käme ich dazu? Mir
geht nichts über meine Behaglichkeit, und

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