Die Jagd nach Millionen
wenn Sie ausfindig
machen wollen, worin diese besteht, so ist's ja um so besser. Ich finde
es außerordentlich freundlich von Ihnen, daß Sie sich
so mit mir beschäftigen, Frau Harcourt!«
»Dann bin ich sehr froh, Herr Prickett.«
Nachdem sie den Tisch vollends zierlich geordnet hatte, zog
sie sich zurück, um in dem Augenblick, als die Uhr auf dem
Kaminsims acht Uhr schlug, mit dem Thee wieder zu erscheinen.
»Neue Besen kehren gut,« bemerkte Prickett
abermals fröhlich lachend, so daß Frau Perks, die im
Flur stand, um zu lauschen, wie die Begegnung mit der neuen Hausfrau
ablaufen werde, im stillen die Bemerkung machte, so lustig habe sie
ihren Mieter nie gefunden.
Allein, wenn Prickett im Amt war, so gab sein Benehmen nie den
geringsten Aufschluß über seine Gesinnung, und zur
Amtsthätigkeit gehörte diese Beobachtung der jungen
Witwe.
»Ein prächtiger Morgen, finden Sie
nicht?« fuhr er, sich die Hände reibend, fort.
»Diese Zeit des Jahres entzückt mich immer gerade in
London, falls nämlich das Wetter schön ist. Der
Sommer ist zu schwül, im Frühling haben wir zu viel
Regen und Ostwind, aber wenn der Herbst schön ist, dann ist
London herrlich. Ein sonniger Oktober ist für mich die Krone
des Jahres.«
Diese Redseligkeit und Liebenswürdigkeit machten
indes geringen Eindruck auf Frau Harcourt. Sie versuchte zwar,
Pricketts Lächeln zu erwidern, aber es wollte ihr nicht
gelingen, und der verfehlte Versuch steigerte ihre Befangenheit noch.
»Noch keine Uebung in dem Handwerk!« sagte
sich Prickett im stillen mit einem Anflug von Rührung.
»Sind Sie schon vollständig hierher
übergesiedelt, Frau Harcourt?« fragte er laut.
»Ja, denn es wird doch besser sein, wenn ich mich
ganz in die Hausordnung einlebe, ehe Frau Perks wegzieht.«
»Wenn jedermann so umsichtig und
rücksichtsvoll zu Werk gehen wollte, so wäre manches
besser bestellt,« bemerkte Prickett anerkennend.
Er setzte sich jetzt an den Frühstückstisch
und nahm seine Zeitungen vor, während Frau Harcourt sich
zögernd zurückzog.
»Sie werden wir scharf im Aug' behalten, Sie Frau
Witwe,« brummte Prickett vor sich hin, »und falls Sie
mich ausspionieren wollen, hab' ich nichts dagegen – was Sie
herauskriegen, ist dagegen eine andre Frage.«
Die glatte Silberscheibe beschäftigte Prickett aufs
neue und gleich nach dem Frühstück ging er an die
Arbeit. Er legte nämlich ein halbes Dutzend Fallen eigener
Erfindung, um herauszubringen, ob die neue Wirtin Neigung habe, seine
Sachen zu durchstöbern oder nicht. In einer Schublade lag eine
billige japanische Lackschachtel, worin er seine kleinen Schmucksachen,
Krawattennadeln, Hemd- und Manschettenknöpfe aufzubewahren
pflegte, diese klebte er mit ein wenig Gummi zu, nur ganz leicht,
daß sie sich ohne Schwierigkeiten öffnen
ließ und doch verraten mußte, ob der Deckel
gelüftet worden war oder nicht. Eine Schublade ließ
er unverschlossen und warf ein seidenes Taschentuch lose hinein, wobei
er auf dem darunter liegenden gesteiften Hemd mit zarten
Bleistiftstrichen die Lage der Ecken bezeichnete. Wurde das Tuch auch
nur um eine Linie verrückt, so mußte er es unfehlbar
bemerken. Den Schlüssel legte er oben auf die Kommode und
schob ein wenig Tabakstaub in die hohle Röhre, daß es
aussah, als ob er in derselben Tasche mit offenem Tabak getragen worden
wäre. Aehnliche Vorkehrungen traf er noch an Blumenvasen,
Photographieen und alten Briefumschlägen, dann trat er
fröhlich schmunzelnd seinen Morgenspaziergang an. Um ein Uhr
war er pünktlich zum zweiten Frühstück
wieder da und – siehe! die Schachtel war geöffnet,
das Taschentuch aufgehoben, der Schlüssel benutzt worden. All
seine kleinen Vorkehrungen bezeugten, daß seine Sachen
gründlich durchsucht worden waren.
»Aha! Wir sind also neugierig! Ganz
ungewöhnlich neugierig sogar! Was suchen wir nur? Ist's nur
der alten Mutter Eva Wißbegierde, die dazu treibt, oder
handelt sich's um die Silberscheibe? Nun, wir werden ja bald dahinter
kommen! Zehn gegen eins weiß ich morgen früh im
Herzen meiner jungen Witwe Bescheid!«
Nachdenklich verzehrte er seine Mahlzeit, um gleich nachher
abermals auszugehen, und zwar dieses Mal in der Richtung nach
Clerkenwell. Unterwegs trat er bei einem Geldwechsler ein und
ließ sich ein Fünfschillingstück geben, dann
suchte er einen in Edelmetallen arbeitenden Bekannten in Clerkenwell
auf und enthüllte ihm seinen Plan,
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