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Die Jagd nach Millionen

Titel: Die Jagd nach Millionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Murray
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geht.«
    Sie zog die Börse heraus und schob dem Vater eine
Fünfzigpfundnote in die zitternde Hand.
    »Geh du nur nach Hause,« wiederholte sie,
einen dichten Schleier vors Gesicht ziehend, den sie gegen neugierige
Blicke auf dem Polizeiamt angelegt hatte. »Ich folge ihm
– mich erkennt er nicht.«
    Ehe Harcourt sich von seiner Bestürzung erholt hatte,
war sie davon. In dumpfem Staunen starrte er ihr nach, sah Engels
Gestalt mit dem sehr bezeichnenden Gang zwischen den Pfeilern der
Hochbahn bald auftauchen, bald verschwinden und dann die
Straße kreuzen. Mit leichtem, raschem Schritt kam Marie
schnell in seine Nähe. Die beiden Gestalten waren jetzt leicht
im Auge zu behalten, denn zur Mittagszeit ebbt der Verkehr in dieser
Gegend. Harcourt sah Engel in einen Laden treten und Marie vor dessen
Schaufenster stehen bleiben. Die eigene Feigheit und Unentschlossenheit
kam ihm derart zum Bewußtsein, daß er laut
stöhnte und gute Vorsätze faßte, aber ehe er
sich zu irgend einem Entschluß aufgerafft hatte, trat Engel
aus dem Laden und ging mit raschem Schritt weiter, Marie hinter ihm
her. Bald waren sie dem Zauderer entschwunden und er konnte sich den
billigen Trost gönnen, daß es nun zu spät
sei zu handeln. So ging er denn in Maries Wohnung, stellte sich der
Wirtin vor, erhielt ein Zimmer angewiesen und wartete auf seine Tochter.
    Sie kam lange nicht und er hatte reichlich Muße, sich
in Selbstanklagen zu ergehen und seine Feigheit zu
verwünschen. Als der Abend hereinbrach, stellte sich die Angst
ein. Doch wurde es Mitternacht und von Marie war immer noch nichts zu
sehen. Wie ein Verrückter ging er vor dem Haus auf und ab und
sagte sich manch bittere Wahrheit, denn er war ja einer von den
Unglücklichen, die Herz und Gewissen haben, nur keinen Mut.
Sein Leben lang hatte er deshalb dumme Streiche gemacht und nun
mußte sein Kind nicht nur leiden durch seine Schuld, sondern
war in unmittelbarer Lebensgefahr – kannte er doch Engel
hinreichend, um das Aeußerste für sie zu
fürchten.
    Von der Straßenecke kehrte er jetzt ins Haus
zurück, wo wirklich eine Botschaft für ihn abgegeben
worden war. Es war ein Stück Zeitungspapier in einem groben
Briefumschlag mit dem Stempel
»Gepäcklagerung« und enthielt nur die mit
Bleistift hingekritzelten Worte: »Sorge
dich nicht. Ich
verfolge ihn. Werde morgen telegraphieren.«
    Wie Harcourt nun einmal war, ließ er sich auch
wirklich dadurch beruhigen. Nachdem er noch ein Gläschen
Whisky zu sich genommen hatte, schlief er über dem
Grübeln, was sich wohl ereignet haben könne,
friedlich ein.
    Was sich ereignet hatte, war eigentümlich genug, wenn
auch für einen beliebigen Zuschauer scheinbar ganz harmlos. An
der nächsten Ecke war Engel in einen Straßenbahnwagen
gestiegen, der ihn an das entlegenste Ende des Broadway
beförderte und Marie Harcourt, die dicht verschleiert mit
gesenktem Haupt unbeachtet unter den zahlreichen Fahrgästen
saß, desgleichen.
    Engel stieg aus, sie ebenfalls! er trat in ein Speisehaus, sie
auch. Engel bestellte sich ein erlesenes
Gabelfrühstück, das mit Austern und Sekt begann, sie
eine bescheidene Erfrischung, die sie unberührt ließ.
In der Nähe der Thüre war der Schenktisch, wo hastige
Männer stehend ein Glas tranken und ein belegtes Brot
hinunterschlangen. Sie strömten aus und ein, Engel schien der
einzige Gast zu sein, der keine Eile hatte. Endlich aber hatte er
seinen Kaffee geschlürft, seine Cigarre angesteckt und die
Rechnung bezahlt. Marie bezahlte auch, was sie nicht gegessen hatte,
und kaum war er auf die Straße getreten, als sie schon hinter
ihm stand. Er ging in zwei oder drei Läden, indes sie wartete,
dann verließ er die Straße, indem er die Treppe zu
einem Reisebureau hinaufstieg. Eine volle halbe Stunde hatte sie jetzt
auszuharren, bis Engel wieder sichtbar wurde und in lässigem
Schlenderschritt auf einen Gasthof zusteuerte. Jetzt galt es sogar,
stundenlang auszuharren. Immer wieder suchte sie sich einzureden,
daß sie ruhig nach Haus gehen könne, da sie ja seine
Wohnung nun kenne; sie überlegte auch, ob sie den Schutzmann,
der feierlich an ihr vorüberpendelte, nicht aufmerksam machen
oder aufs Polizeiamt gehen und Anzeige erstatten solle. Aber so oft sie
den Schutzmann anreden wollte, versagte ihr der Mut, und sich auch nur
für eine kurze Weile entfernen, hieß alles aufs Spiel
setzen. Der ernsthafte behelmte Diener des Gesetzes in

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