Die Jagdgesellschaft von Billingshurst
daran, die Abreisezeiten immer wieder so knapp zu bemessen, dass man gerade noch in höchster Eile die entsprechenden Vorbereitungen treffen konnte. Dieses Mal jedoch lieà ich mir ausnehmend viel Zeit, und man konnte seine Unruhe sichtlich spüren, als ich endlich die Kutsche bestieg, die er schon einige Minuten zuvor gerufen hatte.
»Gut, Watson, ausgezeichnet, man kann immer wieder neue Züge an Ihnen beobachten.«
Ich grinste ihn zufrieden an, doch gleich darauf entzündete er eine Zigarette. Im Zug, den wir nur in letzter Sekunde erreichten, kam er auf Drummond zu sprechen. Sein Prozess begann am Montag, und sollte es uns nicht gelingen, stichhaltige Beweise für seine Unschuld zu finden, war er kaum noch zu retten.
»Wen suchen wir in Seaford, Holmes? Eine Person, die bisher noch nicht aufgetaucht ist?«
»Nein, wir suchen eine Person, die wir nicht finden werden.«
»Was soll das heiÃen? Sie sprechen wieder einmal in Rätseln.«
Er nickte wissend, lieà sich aber bei seinen Nachforschungen nun einmal nicht gerne in die Karten schauen.
»Wenn wir die Person nicht finden, die wir suchen, dann gehen wir davon aus, dass sie entweder nicht in England weilt oder überhaupt nicht existiert«, folgerte ich.
»Dass sie nicht in England weilt, auch wenn wir dafür noch keinerlei Beweise haben«, wiederholte Holmes.
»Und Drummond würde diese Tatsache entlasten?«
SchlieÃlich hatte er ein Einsehen mit der mir wohl ins Gesicht geschriebenen Verwirrung.
»Watson, wir suchen eine Frau, die vor ziemlich genau acht Wochen ihre Wohnung gekündigt hat und kurze Zeit danach eine einfache Schiffsreise in die Kolonien gebucht hat. Wir werden zudem einen Spaziergang am Strand unternehmen, die Seeluft wird Ihnen guttun.«
»Wirklich sehr aufmerksam von Ihnen, doch vermute ich, dass es Ihnen nicht wirklich um meine Erkältung geht.«
»Nicht unbedingt, aber den Spaziergang sollten wir Ihrer angeschlagenen Gesundheit wegen tatsächlich einschieben. Ich hoffe natürlich, dass wir auf unserer Reise den wahren Begebenheiten dieses Falles erheblich näherkommen werden.«
Als ich in der Zeitung blätterte, fiel mir ein Artikel über John Drummonds angebliche Liaison mit Miss Helen Stone aus Chichester auf.
»Holmes, Sie hatten recht, über unseren Klienten beginnt das Unheil hereinzubrechen.« Ich reichte ihm die Zeitung.
Die tödliche Liebe des Bankiers
Wie wir bereits in den letzten Tagen berichteten, wird die Situation des Vizedirektors des Bankhauses Capital & Counties, John Drummond aus Billingshurst, immer dramatischer. Inspektor Strutton geht nun dem Fall einer Frau aus Chichester in Sussex nach, die seit einigen Wochen vermisst wird. Miss Stone lebte alleine, ging nur selten aus und arbeitete als Sekretärin. Die von ihren Mitbürgern sehr geschätzte Dame hatte wohl eine Liebschaft mit einem nicht näher bekannten Herrn. Bisher konnte auÃer einer Beschreibung seiner Statur, die allerdings der John Drummonds gleichen soll, keine weitere Angaben über den Mann gemacht werden. Die Person, die man in Mr. Drummonds Garten aufgefunden hat, wurde etwa zwei Monate zuvor ermordet. Seit eben diesem Zeitraum fehlt auch von Miss Stone jede Spur. Sie hatte sich ein paar Tage Urlaub genommen, von dem sie jedoch nie zurückgekehrt war. Das vom Pathologen Dr. Archer festgestellte Alter der Leiche stimmt mit dem von Miss Stone überein. Die Polizei sucht Zeugen, die ihren Liebhaber genauer beschreiben können. Inspektor Strutton steht nach eigenen Angaben kurz vor dem Abschluss der Ermittlungen. Der Prozess gegen John Drummond dürfte nicht mehr als eine Formsache für die Behörden werden. Für sachdienliche Hinweise melden Sie sich bitte bei Ihrer örtlichen Polizeistation
.
Holmes warf die Zeitung zur Seite und quittierte den Artikel mit einem Kopfschütteln.
»Hatte ich Ihnen schon mitgeteilt, dass wir auf der Rückreise noch einen Halt in Chichester einlegen müssen? Wir haben dort ein kleines Problem zu lösen.«
»Sie wollen die verschwundene Miss Stone finden?«
»Nicht unbedingt finden, aber es gilt, den Verdacht von John Drummond abzuwenden, und das dürfte schwer genug werden. Wir müssen uns Klarheit verschaffen. Die Fragen, die zu beantworten sind, lauten: Wo befindet sich Miss Stone und wer ist ihr geheimnisvolle Besucher?«
Nach dieser neuerlichen Hiobsbotschaft
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