Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
konnten sie überall sein, da sie durch die Katakomben unter der Stadt entwischt waren.
Der Mann wusste, dass man durch die Katakomben zu diesem Haus gelangte. Seinem Gefühl nach hatte er die Flüchtigen gefunden. Er wich von der Tür zurück und setzte die Pistole erneut ein, um die Tür hinter sich zu schließen. Er huschte durch den Gang zurück und begab sich in die Küche, um sich ein wenig zu entspannen.
Im Schlafzimmer oben gab es einen Telefonanschluss, wie in jedem Unterschlupf der Stadt. Er konnte von dort aus anrufen. Bald würde es den Flüchtlingen da unten– hoffentlich– an den Kragen gehen.
***
Unten im Keller war Julie noch immer am Computerterminal beschäftigt.
» Gottverdammt«, sagte sie. » Die gehen aber wirklich auf Nummer sicher.«
Mason beugte sich über ihre Schulter. » Gibt’s Fortschritte?«
» Yeah«, erwiderte sie. » Aber es geht nur langsam voran. Es gibt mehrere Abwehrebenen. Ich habe keine Ahnung, wie viele, aber durch drei bin ich schon durch.«
» Wäre mein Passwort doch noch gültig gewesen«, sagte Anna. » Es würde uns eine Menge Ärger ersparen.«
» Wonach suchen wir eigentlich?«
» Nach so ziemlich allem, was meine Forschung ergeben hat«, erwiderte Anna. » Ich habe Jahre da reingesteckt. Da steht alles drin; angefangen von den Daten des Erregers bis zum Verhalten der Infizierten. Wenn wir da erst mal drin sind, können wir es auf Datenträger brennen, damit wir nicht immer wieder ins System rein müssen.«
» Über wie viele Datenträger reden wir jetzt?«
Anna schaute abwehrend drein. » Hör mal, wenn man täglich Berichte schreibt und hochauflösende Röntgenaufnahmen und Ribonukleinsäureproben abspeichert, kommen mehr als ein paar Gigabyte Daten zusammen.«
» Als wir angefangen haben, hatte ich keine Ahnung, auf was wir uns einlassen«, sagte Mason. » Ich wollte eigentlich nicht so lange hierbleiben und schon gar nicht ein bis zwei Tage damit verbringen, uns durch die Abwehr zu hacken. Wir gehen ein großes Risiko ein.«
» Die kriegen mich nicht«, konterte Julie. » Dafür bin ich zu vorsichtig.«
» Deinetwegen mach ich mir keine Sorgen«, sagte Mason, » obwohl die uns, wenn man dich entdeckt, ebenfalls grillen werden. Nein, ich mache mir Sorgen wegen Sawyer. Die Katakomben haben viele Ausgänge. Er wird garantiert mit den Infizierten alle Hände voll zu tun haben, aber es ist nicht unmöglich, dass er uns doch noch auf die Schliche kommt. Und ich bin mir sicher, dass er es versuchen wird. Der Typ kann einfach nicht hinnehmen, dass die Welt im Begriff ist, ins Scheißhaus gespült zu werden. Er wird es für seine patriotische Pflicht halten, uns zu schnappen, selbst wenn niemand mehr da ist, den es schert.«
» Entspann dich, Mason«, sagte Julie. » Er hat eine ganze Stadt, die er durchsuchen muss.«
» Für dich klingt es vielleicht nach Schwerstarbeit«, erwiderte Mason, » aber es ist Sawyers Beruf, Daten zu sammeln und Leute aufzuspüren. Sobald der Ausbruch im HQ eingedämmt ist, haben wir ihn am Arsch. Ich wette, unser Steckbrief ist bereits überall verteilt.«
» Bis dahin sind wir längst weg«, sagte Anna. » Sobald wir meine Forschungsergebnisse kopiert haben, können wir verschwinden.«
Mason nickte. » Das hört man gern. Na, dann überlasse ich es euch und mach mich mal daran, unsere Ausrüstung zusammenzustellen. Vielleicht entspannt es mich, wenn ich mich darauf konzentriere.«
Er trat vom Rechner zurück und wandte sich dem Klapptisch in der Mitte des Raumes zu. Er hatte schon drei Tornister ausgelegt, die er mit Proviant, Ersatzkleidung und Werkzeugen füllte. Solange sie innerhalb der Stadtgrenzen weilten, durfte er in seiner Wachsamkeit keinesfalls nachlassen. Er fühlte sich wie im Feindesland– und dazu einer doppelten Bedrohung ausgesetzt. Einmal durch den infizierten Mob auf den Straßen, andererseits durch seine Ex-Kameraden aus der Agentur. Wenn sie außergewöhnliches Glück hatten, kümmerten sich die einen vielleicht um die anderen. Mason war jedoch nicht bereit, Geld auf die Möglichkeit zu setzen, dass dies in den nächsten Tagen geschah. Sawyer war so kompetent wie Mason. Wenn Infizierte seinen Weg kreuzten, bissen sie bestimmt eher ins Gras als er.
***
Im oberen Stockwerk beendete der ungebetene Gast gerade sein Telefongespräch.
» Zwei, vielleicht auch drei«, flüsterte er in den Hörer hinein. Einen Moment herrschte Stille, da der Mann am anderen Ende etwas sagte. » Nein, ich bin allein hier.
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