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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Z. A. Recht
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wissen, ist die Lage an Land für uns mehr oder weniger ein Geheimnis. Es besteht kein Kontakt mehr zur Einsatzleitung. Wir empfangen widersprüchliche Meldungen. Im Grunde müssen wir davon ausgehen, dass Nordamerika tatsächlich infiziertes Gebiet ist.«
    Die Männer schauten sich an, doch niemand sagte etwas.
    » Captain Franklin hat sich liebenswürdigerweise bereiterklärt, die Quarantänebemühungen im Süden zu unterstützen. Ich habe jedoch einen anderen Einsatzplan.«
    Sherman hielt kurz inne und sammelte seine Gedanken. Dann fuhr er fort: » Ich bin nun sehr lange beim Militär. Es gibt kaum etwas, das ich nicht gesehen und getan habe. Aber mir ist bewusst geworden, dass ich nicht bei dem Versuch sterben will, eine tote Stadt vor dem Untergang zu bewahren. Da nehme ich doch lieber meinen Abschied. Deswegen…erkläre ich meinen Rücktritt.«
    Die Männer schauten sich auch diesmal an. Hier und da waren gemurmelte Kommentare zu hören.
    » Das bedeutet nicht, dass ich jetzt fertig bin«, fügte Sherman hinzu. » Ich habe einen Plan. Ich habe mich mit einer alten Kollegin unterhalten, die zufällig die führende Expertin auf dem Gebiet dieser Seuche ist. Sie versucht, ein Heilmittel zu entwickeln. Es ist nicht einfach, aber besser als in einer Stadt herumzusitzen und darauf zu warten, dass man von einem dieser verfluchten Überträger gebissen wird. Deswegen habe ich beschlossen, nach Osten zu gehen– um vielleicht ein hübsches unbewohntes Gebiet im Mittelwesten zu finden und auf Nachrichten von ihr zu warten. Ich bin hier, um Sie zu fragen, was Ihnen lieber ist: bei Captain Franklin zu bleiben, um die Verteidigungsbemühungen zu unterstützen, oder sich mit mir von der Truppe zu entfernen. Entscheiden Sie sich nicht voreilig.«
    Brewster wusste irgendwie, dass der General nicht scherzte, aber er traute seinen Ohren dennoch nicht. Das Problem der Desertion blieb ihm also erspart. Noch unglaublicher war, dass ein General die gleiche Entscheidung traf wie ein popeliger Obergefreiter; dass sie sozusagen die gleichen Ziele hatten. Brewster brauchte nicht lange zu überlegen. Er hatte sich schon entschieden. Einige andere Soldaten hatten dieses Glück aber nicht.
    » Sir?«, rief jemand aus der Formation. » Was passiert, wenn das Unternehmen schiefgeht? Dann sind wir doch Deserteure?«
    » Dann kriegen wir Ärger«, gestand Sherman ein. » Jeder, der mit mir geht, geht dieses Risiko ein. Deswegen möchte ich ja auch, dass Sie alle genau nachdenken, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Ich persönlich muss Ihnen gestehen, dass ich die Möglichkeit eines Erfolges nicht sehr hoch einschätze. Ich glaube, der Morgenstern-Erreger wird uns erhalten bleiben. Vielleicht wird der Lauf der Zeit zeigen, dass ich im Unrecht bin. Das hoffe ich jedenfalls. Ich glaube es aber nicht.«
    Washington, D. C.
    20 . Januar 2007
18 . 45 Uhr
    Die Straßen im schwindenden Abendlicht waren meist leer. Meist. Hier und da standen verlassene Fahrzeuge mit offener Tür, und dann und wann wurde der stumpfgraue Himmel von fernen Feuern erhellt. Die Tumulte, die vor einigen Tagen noch geherrscht hatten, hatten sich längst gelegt.
    Ein Mann rannte die breite Allee entlang. Er rang nach Luft, hielt seinen Brustkorb mit der einen Hand fest und umklammerte mit der anderen eine Pistole. Sein Haar war zerzaust, sein Blick wild. Als er in die Straße einbog, hielt er kurz inne, schwang die Waffe herum und starrte mit zusammengekniffenen Augen in die Finsternis. Als er nichts sah, eilte er weiter. Er rannte mit voller Kraft und wich den verlassenen Fahrzeugen aus. Sein Blick tastete die Häuser ab, an denen er vorbeikam. Er las stumm die Hausnummern ab.
    » Gott, wo ist es?«, sagte er vor sich hin. Er keuchte bei jedem Wort. Der Block lag fast hinter ihm, als er erneut stehenblieb und ein kleines zweistöckiges Haus entdeckte, das ein Stück von der Straße zurückgebaut war. Die Fenster und die Veranda waren dunkel, doch die Nummer auf dem Briefkasten war die, die er suchte.
    Der Mann war nicht grundlos gerannt. Er war auf seiner Reise gezwungen gewesen, einen alten Wagen zu benutzen, und die Kiste war etwa zwei Kilometer von hier verreckt. Es gab in dieser Gegend nur einen sicheren Ort– das Haus, vor dem er stand. Es war für die Situation konstruiert worden, in der er sich nun befand: als Zuflucht für Flüchtlinge vor dem Gesetz. Als Unterschlupf. Die Agentur sorgte für ihre Mitarbeiter.
    Der Mann näherte sich dem Haus jedoch nicht auf die

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