Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
fragte Brewster und setzte sich auf die Koje. » Was, zum Henker…«
» Hast du deinen alten Kumpel vergessen?«, sagte Darin und kam langsam auf Brewster zu. » Hast du den Burschen vergessen, den du umgebracht hast?«
» Ich musste es tun«, sagte Brewster protestierend. » Du warst infiziert.«
» Stimmt.« Darin zeigte ihm ein animalisches Grinsen. Seine Zähne waren voller Blut. Als Brewster ihn anschaute, füllte Blut die Mundhöhle des Corporals. Es lief über seine Lippen und an seinem Gesicht herab und tropfte mit einem fortwährenden Pitsch-Pitsch-Pitsch auf den Boden. » Ich war infiziert.«
Darins Augen schienen in einem inneren Licht zu glühen. Brewster spürte, dass sich das Entsetzen in seinem Brustkorb breitmachte.
» Bleib mir vom Leib, Mann«, sagte er und wich zurück.
» Du hast mich einfach so umgebracht«, sagte Darin, dessen Stimme nun von dem vielen Blut in seinem Mund ganz entstellt war. » Ich bin gekommen, um mich für den Gefallen zu revanchieren!«
Brewster fiel nun auf, dass Darin eine Pistole in der Hand hielt. Er hob sie an, um auf Brewster zu zielen.
Der Knall war ohrenbetäubend.
Brewster wachte urplötzlich auf, ruckte hoch und schlug mit dem Kopf an die Koje über ihm.
» Scheiße!«, schrie er und wischte sich mit der Hand über die Stirn. Die Hand war schweißbedeckt. Der Alptraum war unglaublich real gewesen.
Wieder klopfte jemand an die Tür. Brewster fiel der Schuss ein, den er im Traum gehört hatte. Ihm wurde klar, dass es das Klopfgeräusch gewesen sein musste.
» Kompanie aufstehen!«, rief eine Stimme von draußen. » Wir legen gleich an. Die Quarantäne ist aufgehoben. Ihr könnt jetzt rauskommen.«
Die Männer, mit denen Brewster zusammen untergebracht war, jubelten freudig, klatschten in die Hände und grinsten. Brewster fuhr mit der Hand über sein kurzgeschorenes Haar und stieß einen lauten Seufzer aus. Es war wirklich eine Erleichterung, endlich raus zu dürfen– aber er war auch sehr erfreut, dass sie nun von dem Schiff runterkamen. Noch vor dem Einschlafen hatte er einen Beschluss gefasst. Er wollte sich bei der erstbesten Gelegenheit von der Truppe absetzen. Er wusste zwar nicht, wie die Lage an Land war, aber wenn sie den anderen infizierten Gebieten der Welt glich, hatte er jede Menge Gelegenheiten, davonzukommen.
Die Tür des Quarantäneraums öffnete sich. Die Männer stiefelten im Gänsemarsch in den Gang hinaus.
» In fünf Minuten an Deck antreten«, befahl Sergeant Major Thomas, der am Schott am anderen Ende stand und das befreite halbe Dutzend einwies. » Ausrüstung wird euch gleich ausgehändigt, dann möchte General Sherman euch etwas sagen.«
Dankbar, dass sie etwas tun konnten, das sich vom Herumsitzen in einer Kabine unterschied, gingen die Männer durch die gewundenen Gänge des Zerstörers an Deck. Thomas folgte ihnen.
Brewster war nun mehr denn je entschlossen, sich so bald wie möglich zu verdünnisieren. Als er seit über einer Woche zum ersten Mal wieder das Sonnenlicht sah, stand er noch ein wenig unter dem Eindruck seines Alptraumes. Trotzdem musste er die sich vor ihm erstreckende Aussicht einfach anschauen. Das Schiff hielt auf die Westküste Nordamerikas zu. Das hohe felsige Ufer, das in der Ferne zu sehen war, war noch teilweise von dichtem Nebel verhüllt.
» Schau mal«, murmelte Brewster. » In der Heimat ist es doch am schönsten.«
» Antreten!«, befahl Thomas, der sich an den Männern vorbeigeschoben hatte und nun vor ihnen stand. » Antreten!«
Die Männer beeilten sich, seinen Befehl auszuführen. Sie bildeten gerade Reihen und standen stramm. Brewster fand sich mit Thomas in der ersten Reihe wieder; er war keinen Meter weit entfernt.
» Ausrichten!«, brüllte Thomas. Der rechte Arm jedes Soldaten schoss zur Schulter seines Nebenmannes. Die Abstände richteten sich genauer aus. » Achtung: Rührt euch!«
Die Männer entspannten sich, verschränkten die Hände hinter dem Rücken und spreizten die Beine. Nun sah Brewster auch Sherman. Der General hatte sich seitlich von der Formation aufgehalten und mit dem Fotografen gesprochen. Nun baute er sich vor den Männern auf. Brewsters Blick folgte seinen Bewegungen.
» Meine Herren«, begann Sherman, » in weniger als einer Stunde gehen wir an Land. Der Grund für meine Rede ist der: Wenn wir an Land sind, werden Sie alle etwas haben, was Sie im Militärdienst normalerweise nicht bekommen: eine Wahl.«
Brewster wurde etwas munterer.
» Wie viele von Ihnen
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