Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
etwas zu verdeutlichen. » Immer wenn wir Infizierten begegnet sind«, fuhr er fort, » haben sie sich nach einem fast vorhersehbaren Muster verhalten. Normalerweise sind sie untätig– bis ihnen jemand zu nah kommt. Dann greifen sie an. Sie haben absolut nur eins im Kopf. Wie wir in Suez gesehen haben, wollen sie zu ihren Opfern. Wenn es sie auch nur einen Meter näher ans Ziel bringt, reißen sie sich dafür in Stücke.«
» Und?«
» Das können wir zu unseren Gunsten ausnutzen«, sagte Sherman. » Wir schicken einen Läufer rein. Er muss sehr schnell sein. Sie hängen vor dem Kino herum, in dem Brewster und die anderen in der Falle sitzen. Wenn die Infizierten den Läufer sehen, werden sie ihn bestimmt jagen. Der Läufer zieht sich zurück, lockt sie hinter sich her und trifft sich mit einer bewaffneten Eskorte irgendwo vor der Stadt. Wir lassen den Laster bei der Eskorte, damit sie verduften kann. Die Eskorte tötet die Infizierten oder hängt sie ab, und die Leute im Kino stoßen zu uns, sobald der Eingang frei ist.«
Einen Moment lang sagte niemand etwas. Alle studierten Shermans in den Erdboden geritzte Skizze und rieben sich nachdenklich das Kinn.
» Tja, es ist…riskant«, sagte ein Soldat.
» Riskant?«, sagte ein anderer. » Es grenzt an Selbstmord.«
» Vorsichtig«, sagte Thomas.
» Nein, ist schon in Ordnung.« Sherman steckte eine Hand aus, um Thomas zu besänftigen. » Jede Meinung ist mir willkommen.«
» Ich glaube überhaupt nicht, dass der Plan nichts taugt«, sagte ein dritter Soldat. » Na schön, er ist kein Geniestreich. Aber er könnte klappen. Und es ist ja auch nicht so, dass uns im Moment Tonnen von Optionen offenstehen, nicht wahr? Ich habe aber den Eindruck, dass der Plan irgendwo hakt, Sir.«
» Ja? Und wo?«
» Wer wird der Läufer sein?«
Erneut brach nachdenkliches Schweigen aus. Jeder schaute den anderen an.
» Ja, es ist wirklich ein Problem, Sir«, sagte Thomas. » Was halten Sie davon, wenn wir Hölzchen ziehen?«
» Nein«, sagte Sherman. » Wir müssen den nehmen, der am schnellsten laufen kann. Die Infizierten…Ich meine die, die noch leben…werden sich wie der Wind bewegen. Ich werde keinen Lahmarsch da reinschicken, nur weil er den Kürzesten gezogen hat.«
» Freiwillig melden will sich wohl niemand, was?«, fragte Thomas mit gefurchter Stirn und ließ seinen Blick über den Kreis der Überlebenden wandern.
Niemand schaute ihm in die Augen.
Sherman seufzte. » Na gut, Leute, hört zu. Wir sind keine Militärs mehr. Wir sind an der Endstation angekommen. Ich möchte niemandem etwas vorlügen. Jeder von uns ist für das Überleben der anderen ein wichtiger Faktor. Wir müssen, wann immer es geht, zusammenhalten. Versteckt eure Begabungen nicht vor der Gruppe. Es ist sicher für niemanden ein reizvoller Gedanke, seinen Hals darzubieten, aber wenn wir da unten sind, tut es mit Sicherheit auch ein anderer für euch. Deswegen frage ich euch alle: Ist unter uns jemand, der rennen kann?«
Die Soldaten seufzten und kratzten sich am Kinn. Sherman musterte sie erwartungsvoll. Als niemand antwortete, schüttelte er enttäuscht den Kopf.
» Schätze, wir müssen wohl doch Hölzchen ziehen«, sagte er.
» Moment«, sagte ein Soldat. » Ich bin Läufer. Ein altes Hobby. Bin aber kein Sprinter, eher Langstreckenläufer. Aber ich will’s versuchen, Sir.«
» Ausgezeichnet«, sagte Sherman. Thomas nickte erfreut. » Wie heißen Sie?«
» Stiles, Sir. Mark Stiles.«
» Okay, Stiles. Das hört man gern. Dann stimmen wir alle überein? Dass wir den Plan versuchen wollen?«
Die Soldaten schauten erleichtert drein, weil jemand vorgetreten war, um sich der Aufgabe anzunehmen. Alle nickten und murmelten zustimmend.
» Gut. Thomas, verteilen Sie die noch vorhandene Munition. Ich versuche inzwischen das Kino anzufunken und den Leuten zu sagen, was wir gerade ausbrüten. Dann legen wir einen Zeitplan fest und hoffen auf das Beste.«
***
Brewster schlug mit einer Hand einen Stapel Pappbecher vom Tresen des Süßigkeitenstandes, so dass sie über den Boden flogen.
» Oberscheiße!«, fluchte er und verzog heftig das Gesicht. » Was glaubt er damit zu erreichen, verdammt, abgesehen davon, dass noch einige mehr von uns den Löffel abgeben müssen?«
» Ich weiß es nicht, aber Sherman ist nicht blöd«, sagte Denton. Er zuckte, dort wo er stand, kaum merklich die Achseln.
» Na schön«, sagte Shephard, einer der Überlebenden des Unfalls. » Aber ich wette, dass du der
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