Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
große Schaufenster. Durch die Fenster konnte man erkennen, dass der Laden ausgeplündert worden war. Schaukästen waren umgekippt, drei Einschusslöcher hatten das Glas an einigen Stellen splittern lassen. Die Ladentür stand offen und knarrte leise, da der Abendwind sie hin und her bewegte.
Im Gegensatz zum Waschsalon war es im Sportartikelladen fast so dunkel wie in einem Kohlenkeller. Hohe Regale und nicht vorhandene Seitenfenster ließen kaum Licht herein. Da Stiles keine Taschenlampe hatte, griff er in die Cargotasche seines Kampfanzuges und entnahm ihr zwei Leuchtstäbe. Er knickte sie und schüttelte sie, bis sie leuchteten, dann verbarg er sie in der hohlen Hand, denn er wollte nicht die gleiche Wirkung ausüben wie ein Leuchtturm im Nebel.
Stiles huschte zur offenen Tür und warf die Leuchtstäbe hinein. Den einen warf er so weit wie möglich, den anderen nahe der Tür, damit er, wenn er erst im Laden war, auch wieder hinausfinden konnte. Als der erste Leuchtstab durch die Luft flog, erhaschte Stiles einen flüchtigen Blick auf ausgestopfte Tierköpfe an den Wänden. Sie ließen ihn zusammenzucken, und er tadelte sich stumm für seine Schreckhaftigkeit.
Stiles wartete einige Sekunden, aber er war ziemlich sicher, dass der Laden frei von Infizierten war. Wären Überträger dort gewesen, hätten die Leuchtstäbe sie zu sich gelockt. Trotzdem wollte er kein Risiko eingehen, deswegen zog er auch diesmal seine Pistole. Er öffnete die Tür mit dem Fuß, langte mit einer Hand nach oben, um die am Rahmen befestigte Glocke zum Schweigen zu bringen, und huschte hinein.
Mit der Waffe in der einen Hand tastete er mit der anderen nach seinem Funkgerät.
» Hier ist Ghost Scout. Ich bin drin.«
Stiles untersuchte jede einzelne Regalreihe und blieb dabei immer so nahe wie möglich am Ausgang. Als er wusste, dass er allein war, schloss er die Tür und legte den Riegel vor. Niemand sollte ihn überraschen. Dann steckte er die Pistole ein, nahm den Tornister vom Rücken und machte sich an die Arbeit.
Die ihm nächsten Regale enthielten Campingartikel. Die Überlebenden konnten fast alles brauchen, was hier lag, doch Stiles hätte nicht mal die Hälfte von allem wegtragen können. Also nahm er eine kleine Taschenlampe an sich, zog sie aus ihrer Plastikhülle und untersuchte den Laden eingehender.
» Verdammt«, sagte er leise. » Hier hat aber jemand zugeschlagen.«
Es stimmte. Das Geschäft war halb leergeplündert. Die einzigen Regale, an denen sich niemand vergriffen hatte, enthielten Angelruten, Schießscheiben und T-Shirts mit aufgedruckten Hirschen und Forellen. Stiles entdeckte einen Gewehrständer im hinteren Teil des Ladens, sprang schnell über einen Tarnhosenstapel und begab sich zu ihm.
» Scheiße«, sagte er enttäuscht.
Die Gewehre waren alle geklaut worden. In der Ladentheke befand sich ein Pistolenschaukasten, doch jemand hatte die Scheibe eingeschlagen und alle Handfeuerwaffen mitgenommen. Die Wandständer, in denen einst Jagdgewehre mit Kammerverschluss, Schrotflinten und zivile Verteidigungswaffen gestanden hatten, waren ebenfalls leer.
Stiles ließ den Strahl der Taschenlampe über die Regale daneben wandern und nickte beifällig vor sich hin. Er sah jede Menge Munition. Vermutlich hatten die Leute, die die Waffen mitgenommen hatten, ein paar Schachteln jedes Kalibers in einen Beutel geworfen und waren abgehauen. Auf dem Boden lagen 9-mm-Schachteln verstreut, aber auch Schrotflintenpatronen und andere Kaliber. Stiles sah nagelneue Schachteln mit .357er- und .38er-Munition unter den geplünderten Gewehrständern liegen.
» Wenn wir nur was hätten, womit wir das Zeug verschießen könnten«, murmelte er. Er öffnete den Reißverschluss seines Tornisters und verstaute massenweise 9-mm-Munition. Wenn er keine weiteren Waffen fand, brauchten sie nur Pistolenmunition.
Stiles hielt den Tornister auf und schob mit der freien Hand die gesamte lose Munition hinein, die auf dem Boden und den Regalbrettern lag. Selbst ohne Waffen hatte er nun mehr zu schleppen als erwartet. Er machte den Tornister zu, stand auf, schwang ihn über die Schulter und ließ ihn so lange auf und ab wippen, bis er gleichmäßig hing, wobei er die Taschenlampe mit den Zähnen festhielt. Nachdem er die Träger über den Brustkorb gezogen hatte, ließ er den Lichtstrahl ein letztes Mal über die Wände wandern und schlenderte mit langsamen, festen Schritten hinter der Ladentheke her.
Am Ende des Tresens blieb er stehen und
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