Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Rand mit Munition und Konservendosen beladen. Die Munition würde für Monate reichen, die Rationen jedoch nur für ein paar Wochen. Drei Wochen, bei guter Einteilung vielleicht auch vier. Sherman freute sich trotzdem. Je mehr frische Nahrung sie hatten, umso länger konnten sie ihren Trockenfraß aufsparen. Die Dosen verdarben erst, wenn Jesus der Meinung war, sein Bart sei nicht mehr schick und ihn abrasierte. Oder wenn die Hölle einfror. Beides war gleichermaßen unwahrscheinlich.
Sherman, der noch in der offenen Tür stand, als das Kommando den Einsatz beendete, nickte einfach. Er geleitete die Männer mit den vollen Rucksäcken den Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie hätten nicht viel gebracht, wenn sie erst nach der Rettungsaktion fortgelaufen wären– es war das Beste, die Beute jetzt in Sicherheit zu bringen. Die Männer erwiderten sein Nicken. Einer oder zwei murmelten ein leises » Yeah« und trabten die Straße entlang, wobei sie so schnell wie möglich gingen und so wenig Geräusche wie möglich verursachten. Sherman war zuversichtlich, dass sie es schaffen würden, sofern sie keine Aufmerksamkeit auf sich zogen.
Er drehte sich um, beobachtete jene, die noch in der Umgebung waren, und setzte eine finstere Miene auf. Nicht fern von einem Posten erspähte er Jack den Schweißer. Er hatte im Lagerraum schnell und fleißig gearbeitet und den Soldaten im Parterre ganze Kartons mit Proviant hinaufgeworfen. Offenbar hatte er aber den Bus aus der Stadt verpasst. Sherman lief zu ihm hinüber.
» Was zum Henker machst du da, Mann? Gleich wird’s hier knallen! Verschwinde gefälligst, und zwar so schnell wie es geht!«
» Geht nicht, Sir. Frank, meine ich. Ich bin jetzt bewaffnet.« Jack hielt Sherman eine kleine Pistole unter die Nase. » Ich kann noch immer nützlich sein– und ich hatte keinen Rucksack, um irgendwas aus der Stadt zu bringen.« Er grinste wie ein Troll.
Sherman war sprachlos. Dass noch Pistolen in dem Laden gewesen waren, hatte Stiles nicht erwähnt.
Jack spürte seine Verwirrung offenbar und erklärte: » Jemand muss sie fallen gelassen haben. Sie lag gleich hinter der Tür auf dem Boden, halb unter einem Regal. Neun Millimeter. Könnte ’n polnisches Fabrikat sein oder so was. Es ist doch ein Schießeisen, oder?«
Sherman wusste, dass Jacks Frage nur rhetorisch gemeint war. Vielleicht auch eine Spur ironisch.
» Weißt du, wie man damit umgeht?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.
» Yeah«, sagte Jack. » Dieses Ende hier richtet man auf die Bösen.« Er deutete auf den Lauf.
Als Sherman ihm einen verdrießlichen Blick schenkte, grinste Jack. Dann ließ er blitzschnell das Magazin herausfallen, prüfte das Patronenlager, schob das Magazin wieder hinein und verlegte eine Patrone ins Rohr.
Alles mit einer schnellen, flüssigen Bewegung. » Ich hab zu meiner Zeit ’n paar Kugeln abgeschossen, Frank«, sagte er.
Es gelang Sherman nicht ganz, sein leises Kichern zu unterdrücken. Schon wieder so ein Ding.
» Na schön, in Ordnung«, sagte er. » Aber du führst meine Befehle ebenso aus wie die Soldaten.« Er wandte sich um und rief einen seiner Leute. » Corporal?«
» Sir?«
» Nehmen Sie Jack unter Ihre Fittiche. Sein Auftrag ist und bleibt: Hinter Ihnen zu bleiben und Ihnen den Rücken zu decken. Wenn er an Ihnen vorbeiläuft, machen Sie ihn zur Schnecke. Wenn er wegläuft, schießen Sie ihm ins Bein. Dann wäre er ein schöner Köder für die Überträger– vielleicht kommen wir dann einfacher hier weg.«
» Ja, Sir.«
Die Antwort des Corporals kam automatisch– sie war gefühllos, nicht mehr als eine schnelle Bestätigung. In Jacks Ohren klang sie wahrscheinlich kalt, berechnend und todernst. Sherman war aber nicht so. Man würde seine Befehle befolgen, doch nun war er ganz sicher, dass der Schweißer, der befürchtete, dass der Corporal auf ihn schoss, hinter ihm blieb. Auch Psychologie war eine Art Hobby von General Francis Sherman. Auf dem Schlachtfeld kam es einem gut zupass, aber auch seinen oft frechen Enkeln gegenüber.
Der Gedanke ließ ihn kurz innehalten. Was sie wohl gerade taten? Er schob den Gedanken schnell beiseite. Es brachte jetzt nichts, sich Sorgen zu machen.
» In Ordnung, Männer, gehen wir in Stellung«, sagte er leise. Er schaute kurz auf seine Armanduhr. » In zwölf Minuten beginnt die Jagdsaison. Wir treten den Überträgern jetzt ordentlich in den Arsch. Dann verdünnisieren wir uns, bevor sich noch jemand wehtut. Klar?«
»
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