Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
stattdessen nahm er die Schutzkappe vom Objektiv seiner Nikon-Kamera und machte so viele Aufnahmen wie möglich.
General Sherman gab den Versuch, Suez zu erreichen, auf und hängte das Mikro wieder an das Gerät auf dem Rücken des Funkers. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus und wandte sich an den Offizier neben ihm. Denton musterte die Uniform des Mannes, sah einen Aufnäher, auf dem » U. S. Navy« stand, und nahm an, dass es Commander Barker war. Er versuchte, näher an die beiden heranzukommen, um zu hören, worüber sie redeten, aber Sherman und Barker sprachen leise. Das Gemurmel der sie umgebenden Soldaten war auch nicht gerade hilfreich.
Colonel Dewen kehrte vom Ende der Kolonne zurück und nahm an der Konferenz teil. Denton wurde leicht sauer, weil er nichts von dem verstand, was die Offiziere beredeten. Er unternahm zwar einen Versuch, sich um den Halbkreis der restlichen Soldaten herumzuschleichen, aber er wollte auch nicht allzu neugierig erscheinen. Seine Referenzen als Kriegsberichterstatter waren begrenzt, und die Lage der Welt war nicht so gut, als dass man sich mit Drei-Sterne-Generalen anlegen konnte.
Denton ahnte jedoch, was sie besprachen. Er hatte schon zweimal Ausgangsbasen untergehen sehen– einmal in Bosnien, wo ein Wachtposten sich nicht eingetragen hatte, und dann in Mogadischu; dort hatte sich ein Voraustrupp plötzlich nicht mehr gemeldet. In beiden Fällen war der Beschluss gefasst worden, die betreffende Stelle mit Artillerie einzuebnen.
Als Shermans grimmige Miene gerade den Eindruck erweckte, er wolle das Gespräch beenden, meldete sich das Funkgerät. Sämtliche Soldaten, Denton eingeschlossen, zuckten leicht zusammen. Das war das Letzte, was sie erwartet hatten.
» Echo, Echo, hier ist Suez. Sind Sie noch da? Ende.«
General Sherman schnappte sich den Hörer und hielt ihn an sein Ohr.
» Suez, wo waren Sie, verdammt nochmal? Wir versuchen Sie nun schon seit einer Viertelstunde zu erreichen. Ist Ihnen klar, dass wir Ihren Posten in spätestens zwei Minuten mit Granaten bepflastert hätten?«
» Verzeihung, Sir«, kam die Antwort. » Wir hatten hier ’ne haarige Situation. Das Gelände ist aber jetzt sicher. Sie können unbesorgt weiterfahren. Ende.«
» Wenn wir bei Ihnen sind, möchte ich eine verdammt gute Geschichte hören«, sagte General Sherman. » Denken Sie sich schon mal einen schönen Lagebericht aus. Wir kommen jetzt runter.«
» Oh, Mann, das klingt aber gar nicht gut«, nuschelte Brewster Denton aus dem Mundwinkel zu. » Klingt so, als würde in Suez die Hühnerkacke bald im Quadrat dampfen. Sherman wird ausrasten.«
Denton runzelte die Stirn. » Im Quadrat?«
» Ein neuer Superlativ«, sagte Brewster. » In Superlativen sind wir Yanks Weltmeister. Das weiß doch jeder.«
» Er sollte sich lieber zusammenreißen«, sagte Denton. » Es wäre mir lieber, unsere Verteidigung könnte den Kanal halten, was aber kaum geht, wenn der General ihr den Kopf abreißt.«
» Au ja«, sagte Brewster und fummelte am Gurt seiner M-16. » Die Sache mit dem Virus hatte ich schon ganz vergessen.«
Denton riss sich zusammen, um nicht die Augen zu verdrehen. Die Crème de la Crème der US Army. Oje.
4 Obergefreiter
VIERTER TEIL
FEUER
Suez
7 . Januar 2007
16 . 34 Uhr
In der Basis Suez herrschte Chaos.
Das Erste, was der Konvoi aus El Ferdan bemerkte, als er den Sicherheitskontrollpunkt passierte, war ein Stapel brennender Leichen am Kanalrand. Dicker schwarzer Qualm quoll aus dem grausigen Scheiterhaufen und verdeckte die Sonne. Soldaten, die das Feuer bewachten, wandten sich um und begutachteten die Ankömmlinge. Ihre Gesichter waren unter dicken Taschentüchern verborgen, die sie sich vor die Nase gebunden hatten, um gegen den Gestank gebratenen Menschenfleisches geschützt zu sein.
Drahtzäune waren umgekippt, von Sandsäcken umgebene Bunker halb eingestürzt und die versandeten Straßen mit schwarzen Kohlekreisen und den Trümmern von Handgranatenexplosionen markiert. Die Gebäude waren voll von Einschusslöchern.
» Scheiße«, keuchte Brewster, als der Konvoi vor dem Basishauptquartier anhielt. » Was war denn hier los, verdammt?«
Der ranghöchste Anwesende war ein Sergeant namens Decker. Er hatte die einfahrende Kolonne am Rand des Hauptquartiergeländes in Empfang genommen und gab nun per Handzeichen das Signal zum Anhalten. Sein Arm ruhte in einer Schlinge. Seine Miene war grimmig.
» Schön, dass endlich Verstärkung kommt«, hatte er gesagt. » Wir
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