Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
fragte Sherman. Er schaute Franklin an, dessen Miene nun eindeutig Angst zeigte.
» Tja, solange wir die Pumpen nicht zum Laufen kriegen, sind zwei unserer Triebwerke nicht am Netz. Bis dahin müssen wir mit fünfzig Prozent Kraft auskommen.«
» Das ist nicht hinnehmbar«, sagte Sherman mit gerunzelter Stirn.
» Ich weiß«, erwiderte Franklin. » Doch wenn wir keinen Hafen und geschickten Mechaniker finden, sitzen wir in der Scheiße. Wir machen alles mit halber Kraft.«
» Nun, vielleicht nicht.« Sherman furchte sinnierend die Brauen. » In einem Tag hätten wir die Philippinen erreicht, nicht wahr, Captain?«
» Ja, stimmt. In ungefähr dreißig Stunden müssten wir sie passieren. Warum?«
» Ein alter Kumpel von mir lebt neuerdings dort. Er war Master Sergeant, ist aber außer Diensten. Er war früher Panzermechaniker. Er könnte uns vielleicht helfen.«
» Mit Verlaub«, sagte Captain Franklin. » GE -Triebwerke haben keine Ähnlichkeit mit denen von Panzern.«
» Ich weiß, ich weiß, aber mein Freund betreibt einen Motorenladen und hat bestimmt Zugriff auf Ersatzteile und Wissen, das Sie brauchen, um die Turbinen wieder in Gang zu bringen. Angenommen, er hat das passende Material und die nötigen Arbeitskräfte: Wie schnell können wir das Problem beseitigen?«
» Chefingenieur?«, fragte Captain Franklin den Leiter der Abteilung, die sich um die kaputten Pumpen kümmerte.
» Ich rechne mit sechs bis acht Stunden, Sir«, kam die Antwort. » Aber nur dann, wenn wir genau wissen, was wir tun müssen und die Spekulation auf ein Minimum begrenzen können.«
» Die Investition dieser Zeitmenge ist es mehr als wert«, sagte Sherman. » Am Ende werden wir uns eine Menge Tage auf See ersparen.«
Franklin nickte zustimmend. » Mit Volldampf kämen wir in der Hälfte der Zeit ans Ziel. Wir verlieren zwar ein bis zwei Tage unseres ursprünglichen Zeitplanes, aber es ist besser als der Verlust einer Woche. Wenn ich weiß, wo Ihr Freund sitzt, General, bringe ich die Ramage hin. Wir sollten ihm aber mitteilen, dass wir im Anmarsch sind. Ich möchte nicht auf die Ersatzteile warten müssen, wenn er sie erst noch bestellen muss.«
» Ich bringe Sie zum Hafen, und Sie berechnen den Kurs, Captain.«
» Ausgezeichnet.«
Washington, D. C.
11 . Januar 2007
23 . 14 Uhr
Eine Flucht, dies war Dr. Demilio klar, war unmöglich.
Sie hatte auf dem Weg hierher gut aufgepasst und ihre Zelle akribisch untersucht. Die Einrichtung, in der man sie untergebracht hatte, war viel zu sicher. Sie wäre durchaus bereit gewesen, sie als ›ultramodern‹ zu klassifizieren. Die für ihr Verhör zuständigen Agenten hatten Iris- und Stimm-Identifikationskontrollen durchlaufen, um in ihren Zellenblock zu gelangen. Tastfelder im Boden erkannten ihre Position in der Zelle. Kameras beobachteten jeden Schritt, den sie tat. Ihrer Meinung nach gab es nur eine Möglichkeit, hier herauszukommen. Jemand musste sie mitnehmen. Doch bis dahin würde sie noch allerlei Übles zu erdulden haben.
Irgendwie hatte die NSA erfahren, dass sie das Leck gewesen war, durch das die vertraulichen Unterlagen über den Morgenstern-Erreger an die Öffentlichkeit gelangt waren. Obwohl die Menschen diese Informationen mit Skepsis betrachtet und Regierungsbeamte sie schlussendlich als » Quatsch« gebrandmarkt hatten, stand sie noch immer wegen Landesverrat unter Arrest. Seit ihrer Festnahme war ihr nicht gestattet worden, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Sie hatte keinen Anwalt. Sie hatte keine Telefongespräche führen und nicht mal einen Brief schreiben dürfen. Hatte die Welt ihr Verschwinden überhaupt bemerkt? Ihren Kollegen beim USAMRIID war es bestimmt aufgefallen, aber die hatte man sicher an einem Tag zum Schweigen gebracht.
Insgesamt gesehen, meinte Anna, ging man nicht sehr schäbig mit ihr um. Sie hatte bei den ersten Verhörsitzungen kooperiert und den Agenten erzählt, was sie wissen wollten. Zuerst hatte sie geglaubt, sie würde sich schlecht fühlen, wenn sie den Forderungen der Männer nachgab, doch vieles von dem, was sie erzählt hatte, hatten sie bereits gewusst. Im Grunde hatte sie kaum mehr getan, als das zu bestätigen, was man längst vermutete. So hatte sie sich mit ziemlicher Sicherheit viele Schmerzen und Unannehmlichkeiten erspart.
Anfangs hatte man sie irgendwo in den unteren Bereichen des Gebäudes in eine dunkle, feuchte, verliesähnliche Zelle gesperrt. Nach der Kooperation war sie in ein kultivierteres Quartier
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