Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
hinter seinen sieben Tage alten Bartstoppeln ein mattes Lächeln. Irgendwie hatte er nun das Gefühl, einen Plan zu haben. Etwas, woran er sich klammern konnte, das ihm Hoffnung machte. Es war ein gutes Gefühl. Er hatte sich seit über einer Woche nicht mehr so gut gefühlt.
Trotz seiner Einschätzung, dass er kaum noch Kameraden hatte, wollte er nach jemandem ausschauen, der mit ihm kam. Vielleicht war einer der Burschen, mit denen er in der Quarantäne gesessen hatte, daran interessiert. Gott wusste, dass es allen zum Hals heraushing, Vorgesetzten zu gehorchen. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen.
Das Leben in der Wildnis war einfach. Da gab es jede Menge Nahrung, Wasser und Unterkünfte. Und das Wichtigste: Man war weit entfernt von der ganzen Morgenstern-Seuche. Keine Gewalt, kein Blutvergießen würde seine Träume für eine Weile heimsuchen. Nur offener Himmel und die ihn überall umgebende Natur. Eine schöne Veränderung nach dem langweiligen Inneren eines Marineschiffes.
Auf der anderen Seite der Tür war General Sherman derart in Gedanken versunken, dass er die beiden Männer nicht bemerkte, die mit nüchterner Miene auf ihn zuschlenderten. Der Posten neben ihm trat vor, doch Sherman, der die Besucher nun erkannte, winkte ihn beiseite.
» Hab gehört, dass hier ordentlich was los war, Frank«, sagte Denton, ohne eine Miene zu verziehen.
» Können wir irgendwie helfen?«, fragte Mbutu Ngasy, der neben ihm stand.
» Nein, aber danke fürs Runterkommen«, sagte Sherman. » Wir haben es überstanden. Heute Nachmittag haben wir dann die Bestattung.«
» Geht’s Ihnen gut?«, fragte Mbutu. Der Fluglotse erwies sich als äußerst geschickter Stimmungsableser. » Sie sehen ganz schön fertig aus.«
» Mir geht’s gut, danke. Mir geht nur verdammt viel durch den Kopf.« Sherman seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. » Wir werden bald viel zu tun haben.«
» Ja«, sagte Mbutu. » An Land werden wir alle Hände voll zu tun haben. Darüber haben wir auch nachgedacht, General.«
» Wirklich?«
» Ja, wirklich«, stimmte Denton ein. » Nun wissen wir ja, dass ihr Militärs Verpflichtungen habt, die ihr erfüllen müsst, aber die Flüchtlinge und ich hätten nichts dagegen, wenn man uns an einer Stelle absetzen würde, die etwas sicherer ist als ein Hafen in einer Hafenstadt, wenn du verstehst, was ich meine.«
» Ich weiß besser, wie du dich fühlst, als du dir vielleicht vorstellen kannst«, sagte Sherman.
» Dann hättest du nichts dagegen, uns an irgendeiner abgelegenen Küste abzusetzen, Frank?«, erkundigte sich Denton.
» Ich wüsste nicht, dass dies ein Problem sein sollte. Ich werde euch ein paar Gewehrschützen zuweisen.«
» Das wird nicht nötig sein«, sagte Denton. » Wir können selbst auf uns aufpassen. Wenn wir ein paar Handfeuerwaffen kriegen könnten, sorgen wir schon dafür.«
Sherman nickte. Ein schwermütiges Lächeln ließ seine Mundwinkel zucken. » Sieht aus, als bräche unser Grüppchen auseinander«, sagte er. » Wir haben ja seit Suez viel Zeit zusammen verbracht… Ist ein eigenartiges Gefühl, dass unsere Wege sich nun trennen.«
Denton schaute Mbutu an, der die Achseln zuckte.
Denton verzog das Gesicht und musterte den General. Er wollte zwar nichts unterstellen, was der alte Offizier offiziell zur Kenntnis nehmen musste, aber einen Versuch war es wert.
» Wir haben uns gefragt, ob man dich vielleicht überreden kann, uns zu begleiten, Frank. Nicht nur dich allein. Euch alle. Die Seeleute und Soldaten.«
Sherman ließ ein bellendes Lachen erklingen, das ihm einen überraschten Blick der anderen Männer eintrug.
» Frank?«, fragte Denton.
» Und ich habe mich gefragt, ob ihr es fertigbringt, mir diese Frage zu stellen«, erwiderte Sherman. » Ich glaube, auch ich habe einen Beschluss gefasst. Ich habe eine Freundin an der Ostküste und brauche Hilfe, um sie zu finden. Ihr könntet an Land eine gute Eskorte sein. Also, ja– tun wir uns zusammen, wenn wir angelegt haben. Wollen wir doch mal sehen, was wir zusammen auf die Beine stellen können.«
» Keine Wiederholung von Suez.«
» Keine gottverdammte Wiederholung von Suez, ganz richtig«, sagte Sherman lachend. » Aber wenn wir es auf unsere Weise machen wollen, kommen wir um Arbeit auch nicht herum.«
Denton grinste. » Ich rufe alle interessierten Gruppierungen an Deck zusammen.«
USS Ramage
20 . Januar 2007
10 . 21 Uhr
Mbutu Ngasy stand mit einem
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