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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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geschwollen, aber der rote Streifen war verschwunden. Kivrin lief hinaus und über die Gemeindewiese zur Kirche, den Umhang über den Kopf, um es Pater Roche zu berichten, aber er war nicht da.
    Weder Imeyne noch Eliwys hatten von Agnes’ Knieverletzung mehr als flüchtig Notiz genommen. Sie waren mit hektischen Vorbereitungen zum Empfang Sir Bloets und seiner Familie beschäftigt, säuberten den Dachboden, der als Schlafraum für die Frauen hergerichtet wurde, bestreuten die Binsen in der Diele mit den Blütenblättern von Rosen, buken eine erstaunliche Vielfalt von Gebäck, Pasteten und Kuchen, darunter eine groteske Schöpfung in der Form des Christuskindes in der Krippe mit geflochtenen Teigstreifen als Windeln.
    Am Nachmittag kam Pater Roche zum Herrenhaus, durchnäßt und zitternd vor Kälte. Er war im kalten Regen hinausgegangen, um Efeu für die Dielenausschmückung zu holen. Imeyne war nicht da – sie war in der Küche, wo das Christkind gebacken wurde –, und Kivrin bat Pater Roche herein und ließ ihn seine Kleider am Feuer trocknen.
    Sie rief Maisry, und als sie nicht kam, ging sie über den Hof hinaus zur Küche und holte ihm einen Krug mit warmem Bier. Als sie damit zurückkam, saß Maisry neben Pater Roche auf der Bank, hielt mit einer Hand ihr wirres, schmutziges Haar zurück, während Pater Roche ihr Ohr mit Gänsefett behandelte. Als sie Kivrin sah, schlug sie vor Schreck die Hand aufs Ohr und machte wahrscheinlich zunichte, was Pater Roches Behandlung an Gutem bewirkt hatte, und rannte hinaus.
    »Agnes’ Knie ist besser«, sagte Kivrin zu ihm. »Die Anschwellung ist zurückgegangen, und es bildet sich eine neue Kruste.«
    Er schien nicht überrascht, und Kivrin fragte sich, ob sie sich geirrt habe und es gar keine Blutvergiftung gewesen sei.
    Im Laufe der Nacht ging der Regen in Schnee über. »Sie werden nicht kommen«, sagte Eliwys am nächsten Morgen. Sie schien erleichtert.
    Kivrin mußte ihr zustimmen. Es hatte während der Nacht annähernd dreißig Zentimeter Neuschnee gegeben, und noch immer schneite es ununterbrochen. Selbst Imeyne schien sich damit abzufinden, daß der Besuch ausbleiben würde, obwohl sie mit den Vorbereitungen fortfuhr, Zinngeschirr vom Dachboden holte und von Maisry putzen ließ.
    Um die Mittagszeit hörte der Schneefall plötzlich auf, und um zwei klarte der Himmel auf und Eliwys befahl allen, ihre guten Kleider anzulegen. Kivrin zog die Mädchen an, erstaunt über die feinen seidenen Hemden, die sie hatten. Agnes hatte einen dunkelroten Samtrock und ihre silberne Gürtelschnalle, und Rosemunds blattgrünes Kleid hatte lange Schlitzärmel und einen Ausschnitt, der die Stickerei auf ihrem gelben Hemd zeigte. Zu Kivrin hatte niemand gesagt, was sie tragen solle, aber nachdem sie den Mädchen die Zöpfe geöffnet und das Haar über die Schultern ausgekämmt hatte, sagte Agnes: »Du mußt deinen blauen Rock anziehen«, und holte ihre Sachen aus der Truhe am Fuß des Bettes. Neben den Festtagskleidern der Mädchen nahmen ihre Sachen sich weniger fehl am Platz aus, doch war das Gewebe ihres Rockes noch immer zu fein, die Farbe zu blau.
    Sie wußte nicht, was sie mit ihrem Haar anfangen sollte. Unverheiratete Mädchen trugen das Haar bei festlichen Anlässen offen, nur durch ein Band oder eine Schmuckspange im Nacken zusammengehalten, aber ihr Haar war dafür zu kurz, und nur verheiratete Frauen bedeckten ihr Haar. Sie konnte es nicht einfach unbedeckt lassen; es sah zu schrecklich aus.
    Anscheinend war Eliwys der gleichen Meinung. Als sie sah, wie Kivrin mit den Mädchen die Treppe herunterkam, biß sie sich auf die Unterlippe und schickte Maisry auf den Dachboden, um einen dünnen, beinahe durchsichtigen Schleier zu holen, den sie mit Kivrins Haarband so am Hinterkopf befestigte, daß das Haar vorn zu sehen blieb, die unregelmäßig abgeschnittenen Enden hinten aber verborgen waren.
    Mit der Wetterbesserung nahm die allgemeine Nervosität wieder zu. Eliwys schrak zusammen, als Maisry von draußen hereinkam, dann ohrfeigte sie sie, weil Maisry Schmutz vom Hof hereingetragen hatte. Plötzlich fiel ihr ein Dutzend Dinge ein, die nicht vorbereitet waren, und hatte an allen etwas auszusetzen. Als Frau Imeyne zum zehnten Mal anfing: »Wenn wir nach Courcy gegangen wären…«, fuhr Eliwys sie mit ungewohnter Heftigkeit an.
    Kivrin hatte sich gleich gedacht, daß es eine schlechte Idee sei, Agnes vor der letzten möglichen Minute anzukleiden, und tatsächlich waren die

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