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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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wieder das Atmen hören konnte. »Spreha«, sagte sie. »Ic ben bedrangen, derwile mine dinaere send geflohen.«
    So ist’s recht, dachte sie, noch während sie sprach. Sag ihm, daß du hilflos und ganz allein bist.
    »Heda!« rief sie wieder und begann vorsichtig um die Lichtung zu gehen und zwischen die Bäume zu spähen. Wenn er noch dort stand, war es inzwischen so dunkel, daß sie ihn nicht sehen konnte. Außerhalb der kleinen Lichtung war nichts mehr zu erkennen. Sie konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, in welcher Richtung die Straße vorbeiführte. Wenn sie noch länger wartete, würde es vollständig dunkel sein, und sie würde das Fuhrwerk niemals auf die Straße bringen.
    Aber sie konnte es nicht weiterbewegen. Wer immer zwischen den beiden Bäumen gestanden und sie beobachtet hatte, wußte, daß das Fuhrwerk hier war. Vielleicht hatte er es sogar durchkommen sehen, aus der funkelnden Luft geplatzt wie Zauberwerk. Wenn das der Fall war, dann hatte er wahrscheinlich das Weite gesucht, um die Dorfbewohner zusammenzurufen und sie, angeführt vom Dorfgeistlichen, zu dem Scheiterhaufen zu schleppen, den sie nach Dunworthys Überzeugung stets in Bereitschaft hielten. Aber wenn es so gewesen war, hätte er sicherlich einen Schreckensruf ausgestoßen, und sie hätte hören müssen, wie er flüchtend durch das Unterholz gebrochen war.
    Er war aber nicht davongelaufen, was bedeutete, daß er nicht gesehen hatte, wie sie durchgekommen war. Er mußte danach auf sie gestoßen sein, als sie völlig unerklärlich mitten im Wald neben einem zerschlagenen Fuhrwerk gelegen hatte. Was mochte er gedacht haben? Daß sie auf der Straße überfallen und dann hierher geschleift worden war, um die Tat zu verbergen?
    Warum hatte er dann nicht versucht, ihr zu helfen? Warum war er still wie ein Baum dagestanden, lange genug, um einen tiefen Fußabdruck zu hinterlassen, und dann wieder fortgegangen? Vielleicht hatte er sie für tot gehalten. Ihr vermeintlicher Leichnam, ohne Beichte und letzte Ölung der Wildnis preisgegeben, mochte ihn geängstigt haben. Bis ins 15. Jahrhundert hatte man geglaubt, daß die Seelen von Toten, die ohne Sterbesakramente beerdigt wurden oder unbestattet blieben, von bösen Geistern in Besitz genommen würden.
    Oder vielleicht war er doch gegangen, Hilfe zu holen, in eines dieser Dörfer, deren Glocken sie gehört hatte, vielleicht sogar nach Skendgate, und war schon jetzt auf dem Weg zurück, begleitet von der halben Bevölkerung, alle mit Laternen in den Händen.
    In diesem Fall sollte sie bleiben, wo sie war, und auf seine Rückkehr warten. Sie sollte sich sogar wieder hinlegen. Wenn die Dorfbewohner kamen, konnten sie über ihre Herkunft spekulieren und sie dann ins Dorf tragen. Dies würde ihr Gelegenheit geben, die Sprache zu hören und sich auf die Leute einzustellen, wie es von Anfang an geplant gewesen war. Wie aber, wenn er allein zurückkäme oder mit Freunden, die nicht daran dachten, ihr zu helfen?
    Sie konnte nicht denken. Die Kopfschmerzen hatten sich von den Schläfen zur Stirn und hinter die Augen ausgebreitet. Und ihr war so kalt! Der Umhang war trotz seines Futters aus Kaninchenfell überhaupt nicht warm. Wie hatten die Menschen die Kleine Eiszeit überlebt, wenn sie im Winter nur Umhänge wie diesen trugen? Wie hatten die Kaninchen überlebt?
    Wenigstens konnte sie etwas gegen die Kälte tun, nämlich Holz sammeln und ein Feuer in Gang bringen, und wenn der Fußabdruck-Mann mit üblen Absichten zurückkäme, könne sie ihn mit einem Feuerbrand abwehren. Und wenn er gegangen war, Hilfe zu holen, und in der Dunkelheit den Weg zurück nicht finden konnte, würde der Feuerschein ihn zu ihr führen.
    Auf der Suche nach totem Holz machte sie einen zweiten Rundgang um die kleine Lichtung. Dunworthy hatte darauf bestanden, daß sie lerne, ohne Feuerstein und Zunder Feuer zu machen. »Gilchrist erwartet von Ihnen, daß Sie im Winter im Mittelalter herumlaufen, ohne zu wissen, wie man Feuer macht?« hatte er entrüstet gefragt, und sie hatte Gilchrist verteidigt und erläutert, daß von ihr nicht erwartet wurde, so viel Zeit im Freien zu verbringen. Das Leben der Frauen hätte sich damals größtenteils in den Häusern abgespielt. Aber sie hätten daran denken sollen, wie kalt es im Winter werden konnte.
    Die aufgesammelten Zweige machten ihre Hände noch kälter, und jedesmal, wenn sie sich bückte, einen aufzuheben, verstärkte sich der pochende Kopfschmerz, bis sie dazu überging, sich

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