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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Sie ließ ihn zurücksinken und hob die Hände langsam und vorsichtig unter dem Umhang, weil jede rasche Bewegung die Übelkeit wieder aufkommen ließ. Sie faltete die Hände und hielt sie vor Gesicht. »Mr. Dunworthy«, sagte sie mit dünner Stimme, »ich glaube, Sie sollten lieber kommen und mich abholen.«
    Sie schlief wieder ein, und als sie erwachte, konnte sie die schwachen, mißtönenden Klänge des weihnachtlichen Glockenspiels hören. Oh, gut, dachte sie, sie haben das Netz offen! Und sie bemühte sich, gegen das Rad gelehnt aufzusitzen.
    »Ach, Mr. Dunworthy, ich bin so froh, daß Sie zurückgekommen sind«, sagte sie, die Übelkeit niederkämpfend. »Ich fürchtete, Sie würden meine Botschaft nicht bekommen.«
    Das Glockenspiel wurde lauter, und sie konnte ein schwankendes Licht sehen. Sie zog sich ein wenig höher. »Sie haben das Feuer in Gang gebracht«, sagte sie. »Sie hatten recht, als Sie sagten, daß es kalt sein würde.« Das Wagenrad war eisig bereift, als sie sich daran hochziehen wollte. Ihre Zähne fingen wieder an zu klappern. »Dr. Ahrens hatte auch recht. Ich hätte warten sollen, bis die Anschwellung zurückging. Ich wußte nicht, daß die Reaktion so schlimm sein würde.«
    Es war doch kein Feuer. Es war eine Laterne. Dunworthy trug sie in der Hand.
    »Das bedeutet nicht, daß ich eine Virusinfektion habe, nicht wahr? Oder die Pest?« Sie hatte Schwierigkeiten, die Worte auszusprechen, so stark klapperten ihre Zähne. »Wäre das nicht schrecklich? Im Mittelalter zu sein und die Pest zu haben? Nun, wenigstens würde es ins Bild passen.«
    Sie lachte, ein hohes, beinahe hysterisches Lachen, das Mr. Dunworthy wahrscheinlich zu Tode erschrecken würde. »Es ist schon gut«, sagte sie, konnte aber die eigenen Worte kaum verstehen. »Ich weiß, daß Sie sich um mich sorgten, aber es wird schon werden. Ich bin bloß…«
    Er blieb vor ihr stehen. Die Laterne erhellte einen schwankenden Lichtkreis am Boden vor ihr. Sie konnte Dunworthys Füße sehen. Er trug formlose Lederschuhe von der Art, die den Fußabdruck hinterlassen hatten. Sie wollte etwas über die Schuhe sagen, ihn fragen, ob Mr. Gilchrist ihn veranlaßt habe, authentische mittelalterliche Kleidung anzulegen, nur um sie zu holen, aber die schwankende Bewegung des Lichtes machte sie wieder schwindlig.
    Sie schloß die Augen, und als sie sie wieder öffnete, kniete er vor ihr. Er hatte die Laterne auf den Boden gestellt, und ihr Licht schien auf die Kapuze seines Umhangs und die gefalteten Hände.
    »Es ist schon gut«, sagte sie. »Ich weiß, daß Sie sich Sorgen machten, aber es geht schon. Wirklich. Ich fühlte mich nur ein wenig schlecht.«
    Er hob den Kopf. »Certes, ihte bei derlostuh dies vergat voretau getest hissahntes im aller«, sagte er.
    Er hatte ein hartes, gefurchtes Gesicht, ein grausames Gesicht, das Gesicht eines Halsabschneiders. Er hatte sie beobachtet, dann war er fortgegangen und hatte gewartet, daß es Nacht würde, und nun war er zurückgekommen.
    Kivrin wollte abwehrend die Hand heben, aber ihre Arme waren irgendwie im Umhang verstrickt. »Gehen Sie fort.« Ihre Zähne klapperten so sehr, daß sie die Worte nicht herausbrachte. »Gehen Sie.«
    Er sagte etwas anderes, diesmal mit ansteigender Modulation am Ende, eine Frage. Sie verstand nicht, was er sagte. Konnte es Mittelenglisch sein? Drei Jahre hatte sie es studiert, und Dr. Latimer hatte ihr alles beigebracht, was es über die adjektivische Beugung zu wissen gab. Sie sollte in der Lage sein, es zu verstehen. Es ist das Fieber, dachte sie bei sich. Deshalb weiß ich nicht, was er sagt.
    Er wiederholte die Frage oder stellte eine andere, sie konnte nicht einmal das unterscheiden.
    Es lag daran, daß sie krank war. Sie konnte ihn nicht verstehen, weil sie sich so elend fühlte. »Guota here«, fing sie an, konnte sich aber nicht auf den Rest der Rede besinnen. »Hilfa mier«, sagte sie und versuchte zu überlegen, wie sie ihm ihren Zustand begreiflich machen sollte, aber außer dem Kirchenlatein wollte ihr nichts einfallen. »Domine, ad adjuvandum me festina«, sagte sie.
    Er beugte den Kopf über die Hände und begann so leise zu murmeln, daß sie es nicht hören konnte, und dann mußte sie das Bewußtsein wieder verloren haben, denn er hatte sie aufgehoben und trug sie. Sie konnte noch immer die Töne des Glockenspiels aus dem offenen Netz hören und versuchte sich zu besinnen, aus welcher Richtung sie kamen, aber ihre Zähne klapperten so stark, daß sie

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