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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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langsame und deutliche Aussprache bemüht, damit sie sie verstünden. Der Halsabschneider hatte sie nicht verstanden. Sie hatte versucht, ihm klarzumachen, daß sie den Absetzort nicht verlassen sollten, doch er hatte dem keine Beachtung geschenkt, sie auf seinen Schimmel gesetzt und von der Lichtung durch das Birkengehölz in den dichtesten Teil des Waldes geführt.
    Sie hatte auf die Richtung geachtet, die sie eingeschlagen hatten, um später zurückzufinden, aber die schwankende Laterne des Mannes hatte kaum mehr als den unmittelbaren Umkreis erhellt, und der wilde Tanz der Schatten und des Widerscheins auf Bäumen und Sträuchern hatte sie verwirrt und noch schwindliger gemacht. Darauf hatte sie die Augen geschlossen, und das war ein Fehler gewesen, denn die ungewohnte Gangart des Pferdes hatte sie um jedes Gleichgewichtsgefühl gebracht, und sie war hinuntergefallen.
    »Ich bin keine Hexe«, wiederholte sie. »Ich bin Historikerin.«
    »Hawey vond enyowuh thissla dey?« sagte die Frauenstimme wie aus weiter Ferne. Sie mußte nähergetreten sein, um ein Scheit ins Feuer zu legen, um dann wieder aus der Hitze zurückzutreten.
    »Enwodes villenun gleydund sare destrayste«, sagte eine Männerstimme. Sie klang wie Mr. Dunworthys. »Ayin mynarmehs hoor alle op bider ybar.«
    »Swelzes shay dumorte blawen?« sagte die Frau.
    »Mr. Dunworthy«, sagte Kivrin und streckte die Arme nach ihm aus, »ich bin unter Halsabschneider gefallen.« Aber sie konnte ihn im erstickenden Rauch nicht sehen.
    »Schhh«, machte die Frau, und Kivrin begriff, daß es später war, daß sie, so unmöglich es scheinen mochte, geschlafen hatte. Wie lange dauert es, bis man verbrennt, fragte sie sich. Das Feuer war so heiß, daß sie inzwischen zu Asche geworden sein sollte, aber als sie die Hand hob, sah sie unberührt aus, obwohl kleine rote Flammen an den Rändern der Finger entlangzüngelten. Das Licht der Flammen schmerzte ihren Augen. Sie schloß die Lider.
    Hoffentlich falle ich nicht wieder vom Pferd, dachte sie. Sie hatte sich angeklammert, beide Arme um seinen Hals gelegt, aber die stoßende, ungleichmäßige Gangart hatte ihre Kopfschmerzen verschlimmert, und obwohl sie nicht losgelassen hatte, war sie heruntergefallen. Und das, obwohl Mr. Dunworthy darauf bestanden hatte, daß sie reiten lerne, und in einem Reitstall bei Woodstock Reitstunden für sie vereinbart hatte. Mr. Dunworthy hatte ihr gesagt, daß dies geschehen würde. Er hatte sie gewarnt, daß man sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen würde.
    Die Frau hielt ihr eine Schale an die Lippen. Es mußte Essig in einem Schwamm sein, dachte Kivrin, wie sie es den Märtyrern gaben. Aber es war kein Essig, sondern eine warme, saure Flüssigkeit. Die Frau mußte Kivrins Kopf anheben, daß sie davon trinken konnte, und jetzt erst wurde Kivrin klar, daß sie lag.
    Ich werde Mr. Dunworthy berichten müssen, dachte sie, daß man die Leute liegend auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Sie wollte die Hände wie zum Gebet auf der Brust falten, um das Aufzeichnungsgerät zu aktivieren, aber das Gewicht der Flammen zog sie wieder herab.
    Ich bin krank, dachte Kivrin, und verstand, daß die warme Flüssigkeit ein Arzneitrunk gewesen war, und daß er ihr Fieber ein wenig gesenkt haben mußte. Sie lag nicht am Boden, sondern in einem Bett in einem dunklen Raum, und die Frau, die sie beschwichtigt und ihr den Trunk gegeben hatte, war neben ihr. Sie konnte ihr Atmen hören. Kivrin versuchte den Kopf zu bewegen, um sie zu sehen, aber die Anstrengung verstärkte den Schmerz wieder. Die Frau mußte schlafen. Der Atem ging gleichmäßig und laut, beinahe wie ein Schnarchen. Auch das Hinhören verstärkte die Kopfschmerzen.
    Ich muß im Dorf sein, dachte sie. Der rothaarige Mann muß mich hergebracht haben.
    Sie war vom Pferd gefallen, und der Halsabschneider hatte ihr wieder hinaufgeholfen, aber als sie ihm ins Gesicht gesehen hatte, hatte er überhaupt nicht wie ein Halsabschneider ausgesehen. Er war noch nicht alt, mit rotem Haar und einem freundlichen Ausdruck, und er hatte sich über sie gebeugt, als sie an das Wagenrad gelehnt saß, hatte sich auf ein Knie niedergelassen und gefragt: »Wer bist du?«
    Sie hatte ihn vollkommen klar verstanden.
    »Canstawd ranken derwyn?« sagte die Frau und hob Kivrins Kopf noch etwas an, daß sie von der bitteren Flüssigkeit trinken konnte. Das Schlucken fiel Kivrin schwer, denn nun war das Feuer in ihrer Kehle. Sie fühlte die kleinen orangefarbenen Flammen,

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