Die Jahre mit Laura Diaz
damit einverstanden waren, die Republik zu retten, aber nicht mit euch.«
Vidal runzelte die Stirn, ließ jedoch ein Lachen hören: Es gehe nicht darum, einverstanden zu sein, sondern darum, das Sinnvollste zu tun, um die Republik zu retten. »Wir Kommunisten haben die Einigkeit durchgesetzt gegen diejenigen, die mitten im Krieg einen anarchischen Pluralismus wollten wie du, Baltazar.« Vidal kratzte sich am unrasierten Kinn. »Wäre eine Reihe zusätzlicher Bürgerkriege besser gewesen, die Anarchisten auf einer Seite, die Milizsoldaten auf der anderen, die Kommunisten gegen alle und alle gegen uns, um so dem Feind den Sieg zu ermöglichen, der tatsächlich geeint handelte?«
Basilio Baltazar blieb für einen Augenblick stumm, und Laura dachte: Dieser Mann versucht sich an seinen Text zu erinnern, doch seine Erregung ist echt, und vielleicht mache ich einen Fehler, und es handelt sich um einen Schmerz, den ich noch nicht kenne.
»Es bleibt eine Tatsache, daß wir verloren haben«, sagte Basilio nach einer Weile melancholisch.
»Ohne die kommunistische Disziplin hätten wir in kürzerer Zeit verloren«, sagte Vidal in übertrieben sachlichem Ton, als respektierte er die geistesabwesende, schmerzliche Grübelei Ba-silios und käme der voraussichtlichen Frage des Anarchisten zuvor: »Wollt ihr wissen, ob wir verloren haben, weil die Kommunistische Partei ihre und die Interessen der UdSSR über das gemeinschaftliche Interesse des spanischen Volkes gestellt hat?
Also ich sage dir, daß die Interessen der KP und die des spanischen Volkes übereinstimmen, die Sowjets haben uns allen geholfen, nicht nur der KP, mit Waffen und mit Geld. Allen.«
»Die Kommunistische Partei hat Spanien geholfen«, schloß Vidal, und er blickte Jorge Maura eindringlich an, als wüßten alle, daß ihm die nächste Wortmeldung zustünde, nur daß Basilio Baltazar in einer plötzlichen Regung eingriff, und weil er seine Frage leise vorbrachte, wirkte sie eindringlicher als ein Schrei: »Aber was war Spanien? Ich meine, das waren nicht nur die Kommunisten, das waren wir, die Anarchisten, die Liberalen, die parlamentarischen Demokraten. Die KP hat nach und nach all die isoliert und vernichtet, die keine Kommunisten waren, sie hat sich konsolidiert und ihren Willen durchgesetzt, und dabei gleichzeitig alle übrigen Republikaner geschwächt und alle Bestrebungen vereitelt, die nicht ihre eigenen waren, sie hat die Einheit gepredigt und die Spaltung praktiziert.« Baltazar hielt inné.
»Deshalb haben wir verloren«, sagte er nach einer Pause mit gesenktem Blick, der so tief gesenkt war, daß Laura etwas weitaus Persönlicheres als ein politisches Argument erahnte und dann auch fühlte.
»Du bist sehr still, Maura.« Mit diesen Worten wandte sich Vidal an Jorge, wobei er das Schweigen Baltazars achtete.
»Nun ja«, lächelte Jorge , »ich sehe, daß ich einen Kaffee mit Milch trinke, Vidal ein Bier, aber Basilio hat sich schon für Tequila begeistert. Ich will die Gegensätze nicht verschleiern.«
»Nein«, sagte Vidal.
»Keiner will das«, sagte Baltazar etwas überstürzt.
Maura meinte, daß Spanien mehr als Spanien sei. Diesen Standpunkt habe er immer vertreten. Spanien sei die Generalprobe des allgemeinen Krieges der Faschisten gegen die ganze Welt, wenn Spanien verlorengehe, würden Europa und die Welt verlorengehen.
(»Ich muß ihr von Raquel Alemân erzählen…«)
»Entschuldige, wenn ich den Advocatus diaboli spiele.« Vidal lächelte auf seine eigentümliche Art, er, der erste Mensch, der ein Garé der überaus wohlanständigen Stadt Mexico mit einem dicken Wollpullover betreten hatte – einem Sweater, wie die Mexikaner sagten –, als käme er aus einer Fabrik. »Stell dir einmal vor, daß in Spanien die Revolution siegt. Was würde dann geschehen? ›Jetzt, wo uns Deutschland überfällt, würde der Teufel sagen.«
»Aber Deutschland hat uns doch schon überfallen«, unterbrach ihn Basilio Baltazar in seinem verzweifelt ruhigen Ton. »Spanien ist längst von Hitler besetzt. Was verteidigst du oder wovor fürchtest du dich, Genösse?«
»Ich fürchte mich vor einem schlecht organisierten Sieg der Republik, der den wirklichen, endgültigen Sieg der Faschisten lediglich hinauszögert.«
Vidal trank sein Glas Bier wie ein Kamel, das gerade eben Wasser in der Wüste entdeckt hat.
»Du willst sagen, es ist besser, wenn Franco gewinnt, damit man ihn dann in einem allgemeinen Krieg gegen die Italiener, die Deutschen und die
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