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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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brach in gewaltiges Gelächter aus, er brüllte so, daß er Schleim ausspuckte.
    »Es hat keine Helden gegeben, und wenn es welche gab, hat man sie ganz schnell umgebracht und ihnen Standbilder errichtet. Ungeheuer häßliche Standbilder, damit man nichts Falsches glaubt. In diesem Land ist sogar der Ruhm schäbig. Alle Denkmäler sind aus Kupfer, du brauchst bloß die dünne Vergoldung abzukratzen. Was erwartest du von mir? Warum respektierst du nicht einfach, und Schluß?«
    »Ich gebe mir Mühe, dich zu verstehen, Juan Francisco. Wenn du mir schon nicht verrätst, woher du kommst, sag mir wenigstens, was du heute bist.«
    »Ein Wächter. Ein Ordnungshüter. Ein Verwalter der Stabilität. Wir haben die Revolution gewonnen. Es war sehr schwer, Frieden und eine regelmäßige, friedliche Machtübergabe ohne Militärputsche zu erreichen, um Land verteilen, das Bildungswesen einrichten, Straßen bauen zu können. Hältst du das für zuwenig? Soll ich etwa dagegen auftreten? Soll ich wie alle Unzufriedenen enden, wie Serrano und Arnulfo Gomez, Escobar und Saturnino Cedillo, der Philosoph Vasconcelos? Die haben es nicht einmal zum Helden gebracht, die haben sich bloß zu Tode geärgert. Was willst du von mir, Laura?«
    Ich suche nach einem kleinen Spalt in deinem Panzer, damit ich dich lieben kann, Juan Francisco. So albern bin ich.
    Da hast du dir den Richtigen ausgesucht. Das fehlte gerade noch!
    Während Santiago malte, wollte sie dem Jungen erklären, daß sie von seinem künstlerischen Schwung begeistert sei. Dabei hatte sie die Erklärungen seines Vaters noch ganz frisch in Erinnerung.
    »Diego benutzt dafür das Wort Elan. Er hat lange in Frankreich gelebt.«
    Santiago malte gerade das schonungslose Bild eines Mannes und einer Frau, die beide nackt und voneinander getrennt dastanden und sich anblickten, einander mit dem Blick erforschten. Sie hielten die Arme verschränkt. Laura sagte, es sei sehr schwer, einander immer zu lieben, weil der Gemütszustand zweier Menschen beinahe nie übereinstimme, es gebe einen Moment der vollständigen Identifikation, der uns leidenschaftlich begeistere, ein Gleichgewicht, das leider bereits die Ankündigung sei, daß einer der beiden mit dem anderen brechen werde.
    »Das mußt du verstehen, wenn es um deinen Vater und mich geht.«
    »Du bist ihm nur zuvorgekommen, Mama. Du hast ihm klargemacht, daß du keine traurige Rolle spielen wolltest, die hast du ihm überlassen.«
    Santiago machte seine Pinsel sauber und sah seine Mutter an.
    Wie konnte ich einen so schwachen Mann im Stich lassen, sagte sich Laura, bevor sie energisch und schamhaft reagierte: Was man verändern muß, das sind die Spielregeln, sie wurden von Männern aufgestellt, für Männer und Frauen, die Männer erlassen Gesetze für beide Geschlechter, die Regeln des Mannes gelten gleichermaßen für das treue und häusliche Leben einer Frau wie für ihre untreue, ruhelose Seite: Die Frau ist immer schuld, im einen Fall, weil sie unterwürfig, im anderen, weil sie aufsässig ist; sie ist schuld wegen ihrer Treue, die das Leben wie in einem kalten Grab vorbeiziehen läßt, zusammen mit einem Mann, der sie nicht begehrt, oder sie ist wegen ihrer Untreue schuld, weil sie Lust bei einem anderen Mann sucht, genau wie der Ehemann diese Lust bei einer anderen Frau sucht, für sie ist das eine Sünde, für ihn eine Auszeichnung, er ist ein Don Juan, sie eine Hure. Um Himmels willen, Juan Francisco, warum hast du mich nicht in großem Stil betrogen, mit einer großen Liebe, sondern bloß mit den Flittchen deines Chefs, des Dickbauchs Morones? Warum hattest du keine Affäre mit einer so starken, mutigen Frau, stark und mutig wie Jorge  Maura?
    Juan Franciscos Beziehung zu Danton glich der Lauras zu Santiago: Es waren zwei Parteien. Der Alte – er war neunund-fünfzig geworden, aber er sah aus wie siebzig – verzieh dem jüngeren Sohn alle Schwindeleien, gab ihm Geld und ließ ihn so Platz nehmen, daß sich beide ins Gesicht blickten, denn keiner von beiden machte den Mund auf, wenigstens nicht, solange Laura und Santiago, die Rivalen im Haus, dabei waren. Trotzdem ahnte die Mutter, daß Juan Francisco und Danton miteinander redeten. Die aus eigenem Willen stumme Maria de la O bestätigte das an einem Abend, an dem wieder einmal die tröstliche Balkonzeremonie, dieser die Familie vereinigende Ritus, stattfand. Es kam so, daß sich Maria de la O notgedrungen zwischen den Vater und den jüngeren Sohn setzen mußte, sie trennte

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