Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
Vom Netzwerk:
Gründe, um uns verfolgen zu können.«
    »Juden, Neuchristen, Mohammedaner, Homos, Rassenschande, Unglaube, Ketzerei«, rief ihr Basilio während einer seiner seltenen Besuche in Erinnerung. »Dem Inquisitor fehlt es nie an Gründen für eine Anklage. Und wenn ein Grund wirkungslos bleibt oder nicht mehr aktuell ist, schüttelt Torquemada einen neuen, unerwarteten aus dem Ärmel. Es ist eine endlose Geschichte.«
    Wenn sie sich nachts eng umschlungen hielten und bei ausgeschaltetem Licht liebten, während Harry den Husten zurückhielt und'Laura ein Nachthemd trug, um ihren Körper zu verbergen, der ihr nicht mehr gefiel, konnten sie sich Dinge sagen und Zärtlichkeiten äußern. Er konnte ihr sagen: »Das ist die letzte Chance für die Liebe, the last chance for love.« Und sie: »Was gerade geschieht, hatte sich schon längst angekündigt.« Und er: »Was gerade geschieht, ist längst vorbei, du und ich, wir sind das, was zwischen uns längst vorbei ist, Laura Dïaz und Harry Jaffe.« Sie war auf Vermutungen angewiesen, mußte mit ihrer Phantasie vorliebnehmen, und fragte doch immer wieder.
    »Aber du hast nicht geredet, nicht wahr? Wenn du ein Geheimnis hast und sie es respektieren, dann deshalb, weil sie dich für bedeutungslos halten.«
    »Hure, bitch, du glaubst, daß du mich mit deinen Tricks zum Reden bringst…«
    »Männer erzählen den Huren ihre Sorgen. Laß mich deine Hure sein, Harry, rede.«
    »Old bitch«, Harry lachte sarkastisch, »alte Hure.«
    Sie war nicht mehr fähig, sich beleidigt zu fühlen.
    »Also gut, Hure, stell dir vor, daß ich eine geheime Zeugenaussage gemacht habe. Aber stell dir auch vor, daß ich nur Unschuldige genannt habe, Mady, Julie. Kannst du meiner Logik folgen? Ich stellte mir vor, daß man sie nicht anrühren würde, weil sie unschuldig waren. Man hat sie angerührt. Sie getötet. Ich hatte mir vorgestellt, daß man nur die Kommunisten anrühren würde, darum habe ich sie nicht genannt. Sie hatten mir geschworen, daß sie nur hinter den Roten her wären. Sie haben ihr Versprechen nicht gehalten. Darum habe ich nach der geheimen Zeugenaussage auch in der öffentlichen Sitzung gesprochen und McCarthy angegriffen.«
    »Sind oder waren Sie Mitglied der Kommunistischen Partei?«
    »Sie sind der Kommunist, Senator, Sie sind der rote Agent, Sie werden von Moskau bezahlt, Senator McCarthy, Sie sind der beste Propagandist des Kommunismus, Senator.«
    »Zur Ordnung! Das ist eine Mißachtung! Der Zeuge ist der Mißachtung des Kongresses der Vereinigten Staaten schuldig.«
    »Habe ich deshalb ein Jahr im Gefängnis gesessen? Bleibt ihnen deshalb nichts anderes übrig, als mich zu respektieren und als einen der Ihren anzuerkennen? Bin ich deshalb ein Held? Aber bin ich nicht auch ein Denunziant? Stellen sie sich vor, daß ich denunziert habe, weil ich glaubte, daß niemand das Unwahrscheinliche beweisen würde? Daß Mady Christians oder John Garfield Kommunisten waren? Stellen sie sich vor, daß ich Unschuldige genannt habe, um die Schuldigen zu retten? Stellen sie sich vor, daß ich die Logik der Verfolgungen nicht begriffen hatte, die darin bestand, den Unschuldigen zum Opfer zu machen? Stellen sie sich vor, ich hätte andere meiner Freunde nennen können, J. Edward Bromberg oder Maltz, Trumbo, Dmytryk, weil die wirklich Kommunisten waren? Stellen sie sich vor, daß ich sie deshalb bei der Geheimsitzung nicht genannt habe? Stellen sie sich vor, daß ich nur Unschuldige genannt habe, weil ich selber allzu unschuldig war? Stellen sie sich vor, ich hätte gedacht, sie könnten den Unschuldigen nichts nachweisen, weil ich selber einer war? Hat der Ausschuß deshalb mit allen Mitteln des Terrors dafür gesorgt, ihnen nachzuweisen, was sie nicht waren? War es leichter, einen Unschuldigen einzuschüchtern als einen Schuldigen? Konnte der Schuldige sagen, ich war oder bin Kommunist, und ehrenhaft die Folgen ertragen? Konnte der Unschuldige dagegen nur leugnen und mußte schlimmere Folgen als der Schuldige ertragen? Ist das die Logik des Schreckens? Ja, der Schrecken ist wie eine unsichtbare Zange, die dich fest im Griff hält, so wie mich das Emphysem erstickt. Du kannst nichts tun und gehst zugrunde, weil du am Ende bist, du stirbst, wirst krank oder begehst Selbstmord. Der Schrecken bringt den Unschuldigen zu Tode. Er ist die mächtigste Waffe des Inquisitors. Sag mir, daß ich ein Dummkopf war, weil ich das nicht vorausgesehen habe. Als ich mich entschloß, den Ausschuß anzugreifen,

Weitere Kostenlose Bücher