Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
Vom Netzwerk:
Ambassadeurs in die Länge zog, prüfte Santiago eingehend die Papiere der Firma, wie unter der Lupe, mit einem Gefühl, in dem sich Widerwille und trotz allem auch Liebe schmerzlich vereinten, denn der junge Rechtsreferendar konnte nicht umhin, sich zu sagen: Er ist mein Vater, von diesem Geld habe ich gelebt, mit diesem Geld wird meine Ausbildung bezahlt, diese Geschäfte sind das Dach und der Fußboden unseres Hauses, dank dieser Geschäfte fahre ich den neuesten Renault.
    »Wir werden uns wie ein heimliches Liebespaar benehmen«, sagte Santiago zu Lourdes. »Denk immer daran, daß wir nicht gesehen werden.«
    »Und?«
    »Nichts weiter, meine Liebste! Ich meine es ernst – und wohin gehen wir, wenn man uns nicht sehen soll?«
    »Santiago, hab dich nicht so. Willst du nicht lieber auf den Wagen deines Vaters warten?« entgegnete sie lachend.
    Das Chez Soi war ein geräumiges, aber dunkles Lokal an der Avenida Insurgentes, die Tische standen weit voneinander entfernt, es gab keine zentrale Beleuchtung, jedes Tischchen hatte eine kleine, niedrige Lampe, alles lag im Halbdunkel. Die Tischtücher waren weiß mit roten Karos, um dem Ganzen eine besondere französische Note zu geben.
    Lourdes und Santiago hatten Danton verfolgt, der drei Wochen hintereinander jeden Dienstag pünktlich um neun Uhr abends in dieses Lokal gegangen war. Er ging allein hinein und kam allein wieder heraus.
    Heute nun kamen Santiago und Lourdes bereits um halb neun, nahmen Platz und bestellten zwei Cuba libre. Der französische Kellner sah sie geringschätzig an. An allen Tischen saßen Paare, nur an einem nicht. Eine Frau mit schamlosem Dekollete, das die Brüste halb zur Schau stellte, hob einen Arm, um sich die üppige rötliche Haarflut zu ordnen, und stellte dabei eine perfekt ausrasierte Achselhöhle zur Schau, holte eine Puderdose hervor und machte sich das mit einer dicken weißen Schicht bedeckte Gesicht rund um die ausgezupften Brauen, die hochmütigen Augen und die übermäßig wulstigen Lippen zurecht, wie eine heruntergekommene Joan Crawford. Auffällig war, daß sie das alles tat, ohne sich die weißen Handschuhe auszuziehen.
    Als Danton eintrat, küßte er sie auf den Mund und setzte sich zu ihr. Lourdes und Santiago hatten längst ihre Rechnung bezahlt und sich in eine dunkle Ecke zurückgezogen. In dieser Nacht fuhren die jungen Leute zu zweiten Mal an die Küste von Oaxaca. Santiago saß die ganze Nacht am Steuer, ohne ein Wort zu sagen, hellwach bewältigte er die endlosen, schlangen-förmigen Kurven zwischen Mexico-Stadt, Oaxaca und Puerto Escondido. Lourdes schlief an seiner Schulter, und Santiago hatte nur Augen für die dunklen Formen der Landschaft, die großen Bergrücken, den rauhen, üppigen Leib des vielgestaltigen Landes, die Kiefernwälder und Agavenwüsten, die Basaltmauern und Schneekronen, die riesigen Orgelkakteen, die plötzlich aufleuchtenden Blüten des Jacarandabaums. Eine einsame Geographie ohne Ortschaften und Einwohner. Das Land, das erst noch entstehen mußte, erlag dem hartnäckigen Drang, sich zunächst einmal in seine Bestandteile aufzulösen.
    Das Meer tauchte um acht Uhr morgens vor ihnen auf. Am Strand war niemand. Lourdes erwachte mit einem Freudenschrei. »Das ist der beste Strand an der ganzen Küste«, rief sie und zog sich aus, weil sie ins Meer wollte. Auch Santiago stieg aus seinen Kleidern, und nackt liefen sie gemeinsam ins Meer. Der Pazifik wurde ihr Bettzeug, sie gaben sich Küsse, die tiefer waren als die grüne, ruhige See, sie fühlten, wie ihre Körper vom Wasser über dem Sandboden gehalten wurden, der kräftige Salzgeschmack erregte sie, und Lourdes hob die Beine an, als sie spürte, wie sich Santiagos Penis an ihrer Klitoris rieb, sie umschlang seinen Körper mit den Beinen, er umarmte sie und drang in sie ein, schlug kräftig gegen Lourdes' Muschel, damit sie außen spürte, was Frauen gefällt, während er drinnen Männerfreuden genoß, und sie verströmten sich und wuschen sich und verscheuchten die Möwen.
    »Du mußt so schnell wie möglich die Spielregeln lernen«, hatte Danton zu Santiago gesagt, als sein Sohn im GBVH zur Arbeit erschienen war. »Wer aufsteigen will, tritt in die PRI ein und gibt sich mit dem zufrieden, was für ihn abfällt. So wird's gemacht. Solche Leute haben Erfolg. Was man ihnen anbietet, das nehmen sie. An einem Tag können sie Bürovorsteher, am nächsten Minister sein und übermorgen beim Tiefbauamt arbeiten. Darauf kommt es nicht an. Man muß

Weitere Kostenlose Bücher