Die Jahre mit Laura Diaz
um sie zu machen, Papa Fernando, Mutti Leticia, liebe Tanten Hilda und Virginia und Maria de la O, Santiago, mein Liebster, ich bitte euch nicht um Verständnis oder Hilfe, ich will tun, was ich tun muß, um mit euch zusammenzusein, ohne weiter zu euch zu gehören, doch um für euch dazusein…)
Juan Francisco Lopez Greene war ein hochgewachsener Mann, über einen Meter achtzig groß, und sehr dunkelhäutig. Sein Gesicht hatte indianische wie auch negroide Züge, er hatte dicke Lippen, dabei jedoch ein geradliniges Profil, und seine Haut war glatt und zart wie ein Zuckerhut, nachtdunkel wie die eines Zigeuners. Die Augen grüne Inseln in einem gelben Meer. Die breiten, hochgezogenen Schultern verdeckten einen Teil des kräftigen Halses, der jedoch länger war, als es schien, wie auch seine Arme lang und seine eifrigen Arbeiterhände groß waren. Dazu ein gedrungener Oberkörper, lange Beine und so große Füße, daß sie nicht in die Bergarbeiterschuhe paßten.
Er war kräftig, plump, zart, anders.
Zum Casinoball kam er in Begleitung von Xavier Icaza, dem jungen Arbeiteranwalt und Sohn einer Aristokratenfamilie, der nunmehr der Arbeiterklasse diente. Icaza erlaubte sich, diesen Mann auf den Ball mitzubringen, der sich so grundlegend vom sozialen Erscheinungsbild der guten Familien Xalapas unterschied.
Icaza, eine brillante, aber unkonventionelle Persönlichkeit, schrieb avantgardistische Gedichte und Schelmengeschichten. Seine Bücher enthielten kubistische Vignetten mit Wolkenkratzern und Flugzeugen. Seine Lyrik vermittelte das Gefühl der vom Autor ersehnten modernen Geschwindigkeit, während seine Romane die Traditionen Quevedos und des Lazarillo ins moderne Mexico und sein Zentrum fortschrieben, in eine Stadt, die sich immer mehr, erklärte Icaza den verschiedenen Gästen auf dem Jahresball des Casinos, mit Zuwanderern vom Land füllte und die immer weiter wachsen und wachsen würde. Er zwinkerte den örtlichen Unternehmern zu: »Jetzt muß man billig in der Hauptstadt kaufen, die Colonia Hipödromo, die Colonia Nâpoles, Chapultepec Heights, den Parque de la Lama, selbst die Wüste Desierto de los Leones. Sie werden erleben, wie der Immobilienwert steigt, zaudern Sie nicht«, lachte er mit seinen fröhlich blitzenden Zähnen, »investieren Sie jetzt.«
Man nannte ihn einen Futuristen, Stridentisten, Dadaisten, Begriffe, die keiner in Veracruz jemals gehört hatte und die Icaza mit einem fast schon anmaßenden Unterton in den Provinzstädten einführte. Über die primitiven Landstraßen war er gekommen in seinem gelben Isotta-Fraschini-Kabriolett, als wollte er schnell und nachdrücklich seine Beglaubigungsschreiben präsentieren, während er um die Hand der Señorita Ana Guido anhielt. Da ihre Eltern gewisse Vorbehalte äußerten, steuerte Xavier Icaza an einem Sonntag das leistungsstarke italienische Automobil die Stufen direkt zur Kathedrale hinauf, als gerade die Messe gelesen wurde. Der Motor brüllte, und der Wagen sprang wie wahnsinnig die steile Freitreppe hoch, der junge und feurige Anwalt setzte alle verfügbaren Pferdestärken ein, und kaum daß der Wagen an jener Stelle bedrohlich stoppte, wo die Treppe endete und der Kirchhof begann, verkündete der Anwalt lauthals, er sei gekommen, um Anita zu heiraten, und niemand und nichts könnten ihn daran hindern.
»Ich verkaufe keine Wunschträume«, erklärte der junge Anwalt Icaza seinen alten Bekannten auf dem Casinoball. »Es geht um gegenseitige Vorteile. Die Revolution hat die schlafenden Kräfte des Landes freigesetzt: die einheimischen Kaufleute und Industriellen, die sich in einer Zwangslage befanden, weil das Land den Ausländern ausgeliefert war, die Beamten, die von der alten porfiristischen Bürokratie am Aufstieg gehindert wurden, nicht zu verschweigen die landlosen Bauern und Arbeiter, die dringend danach verlangten, sich zu organisieren und in der Öffentlichkeit gehört und anerkannt zu werden. Denken Sie daran, die Rebellen in den Fabriken von Rio Blanco und den Bergwerken von Cananea, die ersten, die sich gegen die Diktatur erhoben haben, was waren das anderes als Arbeiter?«
»Madero hat ihnen keine Zugeständnisse gemacht«, sagte der Vater des jungen Hahnzüchters aus Cördoba.
»Weil Madero nichts begriffen hat«, argumentierte Icaza. »Der finstere Victoriano Huerta dagegen, der Mörder Maderos, hat sich sehr wohl um die Unterstützung der Arbeiterklasse bemüht und die größten Demonstrationen zum Ersten Mai genehmigt, die
Weitere Kostenlose Bücher