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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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kaufen, Imitationen der in den Illustrierten so vielgepriesenen Art-déco-Mode.
    »Mach dir keine Sorgen, Liebster. Es gibt jetzt die Möglichkeit, in Raten zu bezahlen, man muß nicht alles auf einmal auf den Tisch legen.«
    Durch eine Glastür gelangte man ins Eßzimmer mit einem quadratischen Tisch auf einem hohlen Holzfuß, acht wuchtigen Mahagonistühlen mit fester Lehne, einem Spiegel, der das Nachmittagslicht sammelte, und der Tür zur Küche. Dort standen Kohleherde und Eisschränke, die den täglichen Besuch des Brennholzverkäufers, des Kohlenhändlers, des Milch- und des Eiswagens erforderlich machten.
    Das Wohnzimmer war wirklich hübsch. Es befand sich mehrere Meter über der Straße und hatte einen kleinen Balkon, von dem aus man den Bosque de Chapultepec bewundern konnte.
    Über eine für die Größe des Hauses recht imposante Treppe gelangte man nach oben zu den vier Schlafzimmern und dem einzigen Bad mit Wanne, Toilette und – so etwas hatte Tante Maria de la O noch nie gesehen – einem französischen Bidet, das Juan Francisco herausreißen wollte, doch Laura bat ihn, es stehenzulassen, weil es so neuartig und amüsant sei.
    »Stell dir meine Freunde von der Gewerkschaft vor, wie die da drauf sitzen.«
    »Ich stelle mir den Fettwanst Morones vor. Sag nichts. Sie sollen sich ruhig den Kopf zerbrechen.«
    Juan Franciscos Freunde kehrten mitunter mit peinlich berührter Miene oder sogar mit nasser Hose aus dem Bad zurück. Juan Francisco ignorierte das alles mit seiner angeborenen ernsten Würde, die sich nicht auf Spaße einließ oder sie mit einem blitzenden, gleichermaßen feurigen wie kalten Blick beendete.
    Sie kamen im Eßzimmer zusammen, Laura blieb im Wohnzimmer und las. Während sie am Bett des gelähmten Don Fernando in Xalapa laut gelesen hatte – ein verzweifelter Versuch wie die ins Meer geworfene Flaschenpost eines Schiffbrüchigen –in der Hoffnung, daß ihr Vater sie verstand, gewöhnte sie sich als verheiratete Frau das stille und geruhsame Lesen an. In Mexiko entwickelte sich gerade eine lebensechte Literatur über die jüngste Vergangenheit, und Laura las den Roman »Die Rechtlosen« von einem Doktor, der Mariano Azuela hieß. Sie gab denen recht, die die Bauerntruppen eine – wenn auch kraftvolle – Barbarenhorde nannten, während die Politiker aus den Städten, die Anwälte und Intellektuellen des Romans nichts als treulose, opportunistische und verräterische Barbaren waren. Bei allem stellte sie fest, daß die Revolution eher wie ein Windhauch durch Veracruz gekommen war, während sie im Norden und im Zentrum des Landes wie ein wütender Sturm getobt hatte. Einen Ausgleich für diese Literatur fand Laura bei einem jungen, kaum dreiundzwanzigjährigen Lyriker aus Tabasco. Er hieß Carlos Pellicer, und als Laura sein erstes Buch »Farben im Meer« las, wußte sie nicht, ob sie niederknien und danken oder beten oder auch weinen sollte, denn plötzlich gewannen die Tropen unmittelbares Leben zwischen den Deckeln eines Buches, und weil Pellicer ebenso wie Juan Francisco aus Tabasco stammte, brachte die Lektüre sie ihrem Mann noch näher.
    »Tropen, warum habt ihr mir eure Hände gereicht Voller Farben?«
    Laura wußte, daß Juan Francisco sie gern in der Nähe hatte, damit sie den Freunden etwas anbieten konnte, wenn sich die Versammlung in die Länge zog, doch vor allem, weil sie mithören sollte, was er seinen Kollegen sagte, während die Tante auf die Kinder aufpaßte. Es fiel ihr schwer, zwischen dem Lesen die aus dem Eßzimmer herüberdringenden Stimmen den Gesichtern zuzuordnen, denn kaum daß die Männer herauskamen, wurden sie schweigsam und zurückhaltend, als wären sie gerade erst aus unbekannten und sogar unsichtbaren Orten aufgetaucht. Ein paar trugen Jacke und Krawatte, aber es gab auch andere mit kragenlosen Hemden und Wollmütze und sogar den einen oder anderen in blauem Overall und gestreiftem, bis zu den Ellbogen hochgekrempeltem Hemd.
    Wieder einmal regnete es, und die Männer kamen durchnäßt an, manche hatten einen Regenmantel, die meisten waren ohne jeden Schutz. In Mexiko benutzte kaum jemand einen Regenschirm. Und das, obwohl der Regen pünktlich und kräftig einsetzte, er begann um ungefähr vierzehn Uhr mit Kaskaden und ging mit unterschiedlicher Stärke bis zum Morgen des folgenden Tages weiter. Dann stieg die Morgensonne empor. Die Männer rochen intensiv nach durchnäßter Wäsche, dreckverschmierten Schuhen und feuchten Socken.
    Laura sah sie

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