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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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kleinen, dort gab es all die Dinge, die sie faszinierten, die Blumen und Früchte, die in Mexiko so vielfältig und in solchem Überfluß vorhanden waren, die Lilien und Gladiolen, Amarante und Stiefmütterchen, Mango, Papaya und Vanille, an die sie beim Liebesspiel dachte, die Mameysapote, Quitten, Tejocote-Mehlbeeren, Ananas, Limetten und Zitronen, Stachelannonen, Orangen, die schwarzen Sapotes und die Breiäpfel: Der Geschmack, die Formen und der Duft auf den Märkten erfüllten sie mit Freude und Sehnsucht nach ihrer Kindheit und Jugend.
    »Aber wo ich erst dreißig bin.«
    Nachdenklich kehrte sie vom Markt in die Avenida Sonora zurück, und dabei fragte sie sich: Kommt da noch etwas? Ist das alles? Wer hat dir gesagt, daß nach Heirat und Kindern noch etwas anderes kommt? Hat dir jemand mehr versprochen? Sie antwortete sich selbst mit einem leichten Achselzucken und lief doppelt so schnell, ohne sich um das Gewicht der Körbe zu kümmern. Wenn sie kein Auto mehr hatte, so deshalb, weil Juan Francisco in seiner Aufrichtigkeit der CROM das Geschenk zurückgegeben hatte. Sie erinnerte sich, daß er es nicht freiwillig abgeliefert hatte. Die Genossen hatten es von ihm verlangt. Nimm keine Geschenke von der offiziellen Gewerkschaft an. Laß dich nicht bestechen. Er hatte es nicht freiwillig getan. Man hatte es von ihm verlangt.
    »Juan Francisco, hättest du das Auto zurückgegeben, wenn es deine Kollegen nicht von dir verlangt hätten?«
    »Ich diene der Arbeiterklasse. Das genügt.«
    »Warum bist du so sehr auf die Ungerechtigkeit angewiesen, mein Liebster?«
    »Du weißt doch, daß sie mir nicht gefällt.«
    »Mein armer Juan Francisco, was würde aus dir in einer gerechten Welt…«
    »Nenne mich nicht arm. Manchmal verstehe ich dich nicht. Mach schnell das Frühstück, ich habe heute eine wichtige Versammlung.«
    »Kein Tag vergeht ohne eine wichtige Versammlung. Kein Monat. Kein Jahr. Jede Minute gibt es eine wichtige Versammlung.«
    Was dachte er über sie? War Laura für ihn nur Gewohnheit, ein sexuelles Ritual, stummer Gehorsam, für selbstverständlich gehaltene Dankbarkeit?
    »Ich meine, wie gut, daß du Leute hast, die du verteidigen kannst. Das ist deine Kraft, die du anderen gibst. Es begeistert mich, wenn ich dich müde heimkommen sehe.«
    »Du bist unbegreiflich.«
    »Ach was, ich habe es gern, wenn du an meiner Brust einschläfst und ich dir neue Kraft gebe. Deine Arbeit nimmt sie dir, selbst wenn du es nicht glaubst.«
    »Du bist ziemlich eigensinnig, manchmal amüsierst du mich, aber dann wieder…«
    »Reize ich dich. Diese Idee begeistert mich!«
    Er ging, ohne noch etwas zu sagen. Was dachte er über sie? Ob er sich an das junge Mädchen erinnerte, das er auf dem Ball im Casino von Xalapa kennengelernt hatte? Das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, war, ihr beizubringen, eine Frau in der Stadt und der Welt zu sein. Ob er sich an die junge Mutter erinnerte, die ihn zur Arbeit begleiten, sich mit ihm identifizieren und ihm beweisen wollte, daß sie beide das Leben in der Welt, das Arbeitsleben, gemeinsam bewältigten?
    Diese Vorstellung beherrschte Laura Dïaz immer stärker: Ihr Mann hatte sie zurückgewiesen, hatte sein Versprechen nicht gehalten, daß sie bei allem Zusammensein wollten, vereint im Bett, als Eltern, doch auch in der Arbeit, in diesem Teil des Kreislaufs der Stunden, der das tägliche Leben verzehrt, wie Kinder die Scheiben einer Apfelsine verzehren, und der alles übrige, Bett und Elternschaft, Ehe und Traum, in kärglich zugemessene Minuten und schließlich unnütze Reste verwandelt.
    »Der stumme Gehorsam der leidenschaftlichen Seelen.«
    Laura gab sich selbst die Schuld. Sie erinnerte sich an das kleine Kind in Catemaco, an das junge Mädchen in Veracruz, an die Heranwachsende in Xalapa, und überall entdeckte sie eine sich steigernde Verheißung, deren Höhepunkt ihre Hochzeit vor sechs Jahren gewesen war. Seit damals habe ich mich selbst klein gemacht, anstatt zu wachsen, bin ich eine winzige Zwergin geworden, als hätte er mich nicht verdient, als hätte er mir einen Gefallen getan. Er hat es nicht von mir verlangt oder es mir aufgezwungen, ich selbst habe es getan, um seiner würdig zu sein, heute weiß ich, daß ich eines Mysteriums würdig sein wollte, ich kannte ihn nicht, seine Erscheinung hat mich beeindruckt, seine Art zu reden, wie er sich dem Ungeheuer Menge gegenüber durchsetzte, seine Rede, die er in unserem Haus in Xalapa hielt, als er die unsichtbare

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