Die Jangada
ab, während es sich hier um Leben und Ehre eines Menschen handelte. Die Entdeckung des Schlüssels bot also in unserem Falle entschieden mehr Interesse.
Er befand sich damit in seinem Elemente. (S. 276.)
Der Beamte, der »seinen«
Gold bug
(Goldkäfer) wiederholt gelesen hatte, war mit dem sorgsam befolgten analytischen Verfahren Edgar Poë’s hinreichend bekannt und beschloß, sich desselben bei dieser Gelegenheit zu bedienen. Durch Anwendung desselben mußte es, wie er geäußert, wenn die Buchstaben eine gleichbleibende Bedeutung hatten, über kurz oder lang gelingen das auf Joam Dacosta bezügliche Document zu lesen.
»Wie ging Edgar Poë denn zuwege? fragte er sich. Zunächst überzeugte er sich, welches Zeichen – hier giebt es keine anderen als Buchstaben – sagen
Sein Special-Alphabet in der Hand neben dem Document. (S. 283.)
wir also gleich, welcher Buchstabe am häufigsten in dem Kryptogramm wiederkehrt. Hier ergiebt sich als solcher der Buchstabe
h
, welcher dreiundzwanzigmal vorkommt. Schon dieses auffällige Ueberwiegen beweist
a priori
, daß dieses
h
nicht dem gewöhnlichen
h
der Schrift, sondern daß es demjenigen Buchstaben entspricht, der in unserer Sprache am häufigsten vorkommt, da ich doch wohl voraussetzen darf, daß das Document in portugiesischer Sprache abgefaßt ist. Im Englischen und Französischen wäre das zweifellos
e
, im Italienischen
i
oder
a
, im Portugiesischen müßte es
a
oder
o
sein. Nehmen wir also an, daß
h
hier
a
oder
o
bedeute.«
Nun machte sich der Beamte daran, festzustellen, welcher Buchstabe nach dem
h
am häufigsten vorkam, und erhielt, indem er das ganze Alphabet in diesem Sinne ordnete, folgende Tabelle:
h
= 23 Mal
y
= 19 Mal
u
= 17 Mal
d p q
= 16 Mal
g v
= 13 Mal
o r x z
= 12 Mal
f s
= 10 Mal
e k l m n
= 9 Mal
j t
= 8 Mal
b i
= 4 Mal
a c
= 3 Mal
»Aha, der Buchstabe
a
, rief der Richter, der am häufigsten auftreten sollte, findet sich nur dreimal vor. Das beweist zum Ueberfluß noch einmal, daß die Bedeutung der Buchstaben verändert ist. Doch nun, welche sind nach
a
und
o
diejenigen Buchstaben, die in unserer Sprache am häufigsten vorkommen? Wollen doch nachsehen!«
Mit wirklich bewundernswerthem Scharfsinn, der seiner Beobachtungsgabe ein vorzügliches Zeugniß ausstellte, vertiefte sich der Richter Jarriquez in diese neue Untersuchung. Er ahmte damit den berühmten amerikanischen Schriftsteller nach, der – ein geborner Analytiker – durch einfache Induction und Wahrscheinlichkeits-Rechnung dahin gelangte, sich ein Alphabet zu reconstruiren, das den Zeichen der Geheimschrift entsprach und es ihm ermöglichte, dieselbe ohne Anstoß zu lesen.
Ganz ähnlich verfuhr der Beamte, und man muß ihm das Zeugniß geben, daß er hinter seinem berühmten Vorbilde keineswegs zurückblieb. Da er sich mit Logogryphen, Quadrat-und anderen Räthseln, welche auf eine willkürliche Verstellung von Buchstaben hinauslaufen, vielfach beschäftigt und sich gewöhnt hatte, deren Lösung aus dem Kopfe oder mit der Feder in der Hand zu finden, so brachte er für diese Arbeit eine mehr als gewöhnliche Vorübung mit.
Es ward ihm also auch jetzt nicht mehr schwer, festzustellen, welche Reihenfolge die einzelnen Buchstaben, erst die Vocale, dann die Consonanten, der Häufigkeit ihres Vorkommens nach einnahmen. Nach Verlauf von drei Stunden hatte er ein Schema vor Augen, das ihm, die Richtigkeit seines Verfahrens vorausgesetzt, die wirkliche Bedeutung der in dem Document vorkommenden Buchstaben angeben mußte. Es blieb ihm jetzt nur übrig, unter die letzteren die Buchstaben nach seinem Schema zu setzen.
Als er jedoch daran ging, das zu thun, hinderte ihn eine gewisse Erregung an der Ausführung. Den Richter Jarriquez durchschauerte eine Art wohlverdienter Freude, wie Jeden, der nach mehreren Stunden mühevoller Arbeit den sehnlichst gesuchten Sinn eines Logogryphs vor seinem geistigen Auge allmählich aufdämmern sieht.
»Nun denn, legen wir die letzte Hand an, ermahnte er sich selbst. Es wäre doch wunderbar, wenn ich die richtige Lösung nicht gefunden hätte!«
Der Richter Jarriquez nahm die Brille ab, putzte sorgfältig die Gläser und setzte jene wieder auf der Nase zurecht; dann beugte er sich von neuem über den Schreibtisch.
Sein Special-Alphabet in der Hand neben dem Document, begann er zu schreiben und setzte die, seiner Meinung nach richtigen Buchstaben unter die der ersten Zeilen der Geheimschrift. Nach der ersten Linie
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