Die Jangada
besondere Aufmerksamkeit erregten. Selbst die beiden kräftigen Neger, welche der Pilot als Ruderer auswählte, wurden noch nicht in das Geheimniß eingeweiht. Auf die beiden Männer, das unterlag keinem Zweifel, konnte er jedoch in jedem Falle rechnen. Wenn sie es erfuhren, zu welchem Rettungswerke sie mitwirken sollten, wenn der endlich wieder befreite Joam Dacosta sich ihrem Schutze anvertraute, so wußte Araujo vorher, daß sie Alles daran setzen, ja daß sie ihr Leben daran wagen würden, um das Leben ihres Herrn zu retten.
Schon am Nachmittage war Alles zur Abfahrt fertig. Nun sollte nur noch die Dunkelheit abgewartet werden.
Bevor sie aber an die Ausführung ihres Vorhabens gingen, wollte Manoel noch einmal den Richter Jarriquez aufsuchen. Vielleicht war der Beamte doch noch im Stande, ihm bezüglich des Documentes etwas Weiteres mitzutheilen.
Benito zog es vor, auf der Jangada zu bleiben, um daselbst seine Mutter und Schwester abzuwarten.
Manoel begab sich also allein nach dem Hause des Richters Jarriquez und wurde von diesem auch sofort empfangen.
Der noch immer in sein Arbeitszimmer gebannte Beamte befand sich in höchster Aufregung. Von seinen ungeduldigen Händen zerknittert, lag das Document vor ihm auf dem Tische.
»Herr Richter, begann Manoel mit zitternder Stimme, erhielten Sie schon von Rio de Janeiro…?
– Nein, antwortete Jarriquez, noch traf keine Entscheidung ein… doch wir müssen jeden Augenblick gewärtig sein…
– Wie steht’s aber mit dem Document? unterbrach Manoel seine Worte.
– Leider wie früher! erwiderte der Richter Jarriquez; ich habe alles nur irgend Erdenkliche versucht… vergebens!
– Vergebens!
– Doch, daß ich nicht zu viel sage, ein Wort habe ich aus den geheimnißvollen Zeilen herauszulesen vermocht, aber nur ein einziges.
– Und dieses Wort, rief Manoel gespannt, dieses einzige Wort lautete?
– Entfliehen!«
Manoel drückte dem Richter Jarriquez stumm die Hände und begab sich nach der Jangada zurück, um daselbst den Augenblick zum Handeln abzuwarten.
Siebzehntes Capitel.
Die letzte Nacht.
Der Besuch Yaquitas nebst ihrer Tochter verlief ganz so wie immer während der wenigen Stunden, welche die beiden Gatten mit einander zubringen durften. Wenn er sich mit den beiden zärtlich geliebten Wesen zusammen befand, drohte ihm freilich das Herz zu zerspringen. Aber der Gatte, der Vater wußte sich zu beherrschen, so daß er mit seinem Zuspruche die beiden unglücklichen Frauen aufrichtete und ihnen noch einige Hoffnung einzuflößen wußte, obwohl er selbst kaum noch welche hatte. Wenn jene eigentlich kamen, um den armen Gefangenen zu trösten, so waren sie es doch vielmehr, welche des Trostes wirklich bedurften, und nur dadurch, daß sie ihn so fest, trotz aller Prüfungen so unerschüttert sahen, schöpften sie selbst in der That einige Hoffnung.
Auch heute hatte Joam Dacosta ihnen neuen Muth einzureden gesucht. Er selbst gewann diese ungebrochene Energie nicht allein aus dem Bewußtsein seiner Unschuld, sondern auch aus dem frommen Glauben an den Herrn über uns, der in seiner Gerechtigkeit auch das Herz der Menschen zu rühren vermochte. Nein, Joam Dacosta konnte nicht für das Verbrechen in Tijuco büßen sollen!
Von dem Document sprach er übrigens fast niemals. Ob dasselbe gefälscht war oder nicht, ob es von Torres’ Hand oder von dem wirklichen Urheber des Ueberfalles herrührte, ob es endlich seine so eifrig gesuchte Rechtfertigung enthielt oder nicht, auf solch’ zweifelhafte Stützen wollte Joam Dacosta sich nicht verlassen. Er betrachtete sich selbst als den besten Beweis in seiner Sache, nur sein Leben voller Arbeit und ehrlichen Strebens sollte hier der Vertheidiger für ihn sein.
Gerade diesen Abend hatten Mutter und Tochter, von seinen männlichen Worten, die ihnen tief zu Herzen gingen, wunderbar gestärkt, ihm hoffnungsfreudiger Lebewohl gesagt, als je seit seiner Verhaftung. Mit doppelter Zärtlichkeit hatte der Gefangene sie zum letzten Male an sein Herz gedrückt. Es schien, als habe er ein Vorgefühl, daß die Lösung des Knotens auf die eine oder die andere Weise nun ganz nahe bevorstehe.
Als Joam Dacosta wieder allein war, blieb er lange regungslos sitzen und stützte den Kopf in die Arme auf dem kleinen Tisch der Zelle.
Was mochte jetzt in seiner Seele vorgehen? Hatte er die Ueberzeugung gewonnen und konnte er hoffen, daß die menschliche Gerechtigkeit, nachdem sie schon einmal in ihrem Urtheile gefehlt, jetzt seine
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