Die Jangada
mir zu theilen; jeden Tag eine neue Denunciation zu erwarten, welche früher oder später erfolgen muß, und zuletzt selbst aus fremdem Lande doch ausgeliefert zu werden – kann man das noch Leben nennen? Nein, niemals!
– Vater, mein Vater, drängte Benito, dem fast der Kopf zerspringen wollte, Du wirst entfliehen, ich will es…!«
Noch einmal ergriff er Joam Dacosta und suchte ihn nach dem Fenster zu ziehen.
»Nein! Laß mich… Nein, sage ich Dir!
– Du willst mir also den Verstand rauben!
– Laß mich, sage ich Dir, rief Joam Dacosta, laß ab von mir!… Einmal schon bin ich aus dem Kerker von Villa Rica entwichen, wo Jedermann glauben mußte, daß ich nur der verdienten Todesstrafe entgehen wolle… Ja, ja, das hat man annehmen müssen! Jetzt thu’ ich’s um der Ehre des Namens willen, den Ihr tragt, nicht ein zweites Mal!«
Benito war vor seinem Vater auf die Knie gefallen – – er streckte ihm die Hand entgegen… er flehte ihn an…
»Die Ordre, mein geliebter Vater, wiederholte er ihm, kann täglich, kann jede Minute eintreffen… sie enthält den Spruch, der Dich dem Tode weiht!
– Und wenn sie angelangt wäre, würde sie an meinem Entschlusse nichts zu ändern vermögen. Als Schuldbewußter könnte Joam Dacosta fliehen, als Unschuldiger harrt er hier aus!«
Die Scene, welche dieser Erklärung folgte, war herzzerreißend. Benito rang mit seinem Vater; Manoel stand ganz außer sich nahe dem Fenster, um den Gefangenen hinauszuheben, als sich plötzlich die Thür der Zelle öffnete.
Auf der Schwelle erschien der Polizeivorsteher, gefolgt von dem Wachtmeister des Gefängnisses und einigen Soldaten.
Der Beamte erkannte sofort, daß hier ein Fluchtversuch vorbereitet gewesen sei, sah aber aus der Haltung des Gefangenen, daß dieser selbst nicht darauf eingegangen war. Er sagte nichts. Auch in seiner Brust regte sich das Gefühl des Mitleids. Wahrscheinlich hätte er ebenso wie der Richter Jarriquez gewünscht, daß Joam Dacosta aus seiner Zelle entflohen wäre.
Jetzt war es zu spät!
Der Polizeivorsteher, der ein Schriftstück in der Hand hielt, schritt auf den Gefangenen zu.
»Vor allen Dingen, redete Joam Dacosta ihn an, erlauben Sie mir die Versicherung, daß es nur von mir abgehangen hätte, zu entweichen, daß ich das aber abgelehnt habe!«
Der Beamte neigte ein wenig den Kopf, dann sagte er beinahe mit zitternder Stimme:
»Joam Dacosta, die Entscheidung vom Justizminister in Rio de Janeiro ist hier eingetroffen.
– O Gott, mein Vater! riefen Benito und Manoel.
– Und sie lautet, fragte Joam, voraussichtlich dahin, das Todesurtheil zu vollziehen?
– Ja!
– Und wann soll das stattfinden?
– Morgen!«
Benito hatte sich auf seinen Vater gestützt; er versuchte noch einmal, ihn aus der Zelle zu drängen, so daß die Soldaten sich einmengen mußten, um ihn aus den Händen des Sohnes zu befreien.
Auf ein Zeichen des Beamten wurden Benito und Manoel aus der Zelle entfernt. Dem traurigen Auftritte, der schon zu lange gewährt hatte, mußte ein Ende gemacht werden.
»Mein Herr, fragte nun der Verurtheilte, werde ich morgen vor der Hinrichtung noch einige Augenblicke mit dem Padre Passanha, den ich benachrichtigen zu lassen bitte, sprechen können?
– Er wird geholt werden.
– Wird es mir gestattet sein, mein Weib, meine Kinder noch einmal zu umarmen?
– Man wird sie zu Ihnen führen.
– Ich danke Ihnen! sagte Joam Dacosta. Und jetzt lassen Sie dieses Fenster bewachen, damit ich nicht wider Willen von hier entführt werde!«
Der Polizeivorsteher verneigte sich leicht und zog sich mit dem Wächter und den Soldaten zurück.
Der Verurtheilte, der nun blos wenige Stunden zu leben hatte, blieb allein zurück.
Achtzehntes Capitel.
Fragoso.
Die Entscheidung war also eingetroffen und enthielt, wie der Richter Jarriquez vorausgesehen hatte, den Befehl zur sofortigen Vollziehung des Todesurtheils an Joam Dacosta. Niemand hatte einen wirklichen Beweis seiner Unschuld beizubringen vermocht – die Gerechtigkeit sollte ihren Lauf haben.
Am folgenden Tage, am 31. August, Morgens neun Uhr, sollte der Gefangene am Galgen sterben.
Die Todesstrafe wird gerade in Brasilien meist umgewandelt, außer wenn es sich um verurtheilte Schwarze handelt; diesmal sollte sie jedoch einen Weißen treffen.
Für Verbrechen, welche sich auf das Diamantenregal der Regierung beziehen, schloß das Gesetz von vornherein jedes Gnadenmittel aus.
Joam Dacosta konnte nichts mehr retten. Er sollte nicht
Weitere Kostenlose Bücher